Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
184 __ Sommerblumen.
los in ſeinem Glii>e, ihr das erröthende Roſinchen als ſeine Verlobte vor. =
Die getäuſchte Frau mußte na<h dem Treppengeländer greifen, um niht vor Schre> und Demüthigung zuſammen-= gubrehen. Nur mühſam raffte fich die fonſt ſo Zungen= fertige dazu auf, dem Brautpaare die üblichen Artigkeite= phraſen zu ſagen.
Der junge Paſtor empfand troy alles freundlichen Ver= trauens, welches in ſeiner Gemüthsart lag, die Veränderung im Weſen der Frau ſo unangenehm, daß er ſi<h bald mit ſeiner Braut wieder empfahl und es Melanie überließ, mit der Uebellaunigen fertig zu werden.
Das Unwetter ließ au< nicht auf ſi< warten. Die Tochter ſollte erklären, wie das gekommen ſei; ſie ſelbſt habe es verſchuldet, daß ſie niht die Braut war, ſie würde nie zu einer guten Heirath kommen. Melanie ließ heute ſo ruhig, wie nie zuvor, alles Ungemach über ſich ergehen : ſie hoffte auf morgen und den Retter aus der Noth.
Der Medicinalrath hatte am nächſten Morgen einen ſchweren Stand. Wie er es fertig brachte, die Regierungs= räthin umzuſtimmen — ob die wahre Mutterliebe zuleßt doch über Standes8vorurtheile ſiegte, ob die neue Villa in's _ Gewicht fiel, oder ob jene gewiſſen, ihrer Freundin gegebenen Winke über Melanie's bald bevorſtehende Vex= lobung die holhmüthige Frau bewogen, nun um jeden Preis einen Crſaß für den vermeintlichen Freier zu erlangen das ward nie ergründet, und nur der menſchenkundige Arzt ahnte, was im Gemüthe dieſer Frau vorging.
Endlich durfte der Medicinalrath den Freier holen.