Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
38 Der Talisman des Weibes.
ſo leidenſchaftlich und glühend beſchloſſen, als zagend be= gonnen. Im Geiſt an die Bruſt des Gatten ſtürzend, rang es ſi wie inbrünſtiges Flehen über Jrma's Lippen: „Dahin lafſ“ uns, o, mein Geliebter, ziehn!“
Hatte Hans Meiſchi> ſie verſtanden? Nux zu gut, um dieſe vermeintliche Efſtafe niht als Demonſtration zu em= pfinden. Er war kein eigentlicher Muſikkenner oder Lieb= haber, de3halb hörte ex auh die eminente dramatiſche Be= gabung, welche Jrma ſoeben gezeigt, nicht heraus. Jm Gegentheil, er würde es na< dem Vorangegangenen für viel entſprechender gehalten haben, hätte Jrma ein heiteres Lied= chen anſpruch8los vorgetragen. Zugleich ſagte ihm ſeine Weltkenntniß, daf derlei muſikaliſche Perlen hier vor einem verſtändntßloſen Publikum ausgeſtreut ſeien.
Noch zitternd vox Erregung ließ Jrma ſi<h von ihrem Gatten zurüdgeleiten. „Hans,“ flüſterte ſie tief bewegt und drückte ihre Fingerſpißen leidenſchaftlich in ſeinen Arm, „0, Hans!“
„Wix dachten, Frau Amtsrichter,“ rief ihnen die Bür= germeiſterin ſchallend entgegen, „Sie würden uns das hübſche Lied „Jh bitt Euch, liebe Vögelein“ zum Beſten geben. Das war ein ſ{<nurriges Lied, was Sie ſangen.“
„Goethe und Beethoven haben öfter fo ſchnurrige Lieder gemeinſam fabrizirt ,“ ſagte Jrma, in ihren erhabenſten Empfindungen verlebt, ohne den warnenden Dru ihres Gatten zu beachten. „Es iſt niht meine Schuld, wenn Beide das gewünſchte Genre für trivial und geſ<hma>los hielten.“
Allgemeines Entſehen. Der Wirth lenkte flüglich ab, indem ex ſich an Meiſchi> wandte. „Haben Sie ſchon ge=