Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
40 Dex Tali3man des Weibes,
„Sein Sohn, der junge Graf Botho Freiberg, wird “an feiner Statt in den nächſten Tagen hieher kommen und vorläufig ſeine Reſidenz im Kronthaler Schloſſe aufſ<lagen.“ Dex FJuſtizrath lachte herzlich, als ex die entzücien Blide der jüngeren und älteren Damen gewahrte. „Ein veritabler Graf! Jung, hübſ<! Welche Ausſichten für unſere Winter= ſcherze! Schade, daß i< feine Tochter habe!“
Jrma fühlte ſih verleßt. „J<h wüßte niht, was Sie veranlaffen fann, Herr Juſtizrath, dem Grafen einen ſo [{<le<= ten Dienſt zu erweiſen, indem Sie ihn lächerli<h machen !“
„That ih das —?“
Hier meldete der Lohndiener die Fertigſtellung des Abendeſſens. Ohne Zögern reichte Dreyſing Jrma ſeinen Arm, obwohl ihm die Doktorin zugedacht war. „Nichts da, liebes Geburtstagsfind,“ wehrte er den Bürgermeiſter energiſh ab, „dieſe böſe kleine Dame muß zuvor deit Stachel aus meiner Bruſt nehmen, ſonſt könnte ih keinen Biſſen herunterbringen |“
Als man die Tafel aufhob, waren Frma und ihr Nachbar Freunde geworden.
Zu Hauſe angelangt verſuchte die junge Frau, ihren Gatten verſdhnli<h zu ſtimmen, aber ex wies jede Lieh= koſung zurü>. Ohne Milde zählte ex ihr die zahlreichen Verſtöße gegen Sitte und Gerechtigkeit auf, deren Frma fich heute Abend ſchuldig gemacht. Scharf und einſchneiz dend traf ſie jeder Vorwurf. Aber mußte ſie auch dieſen oder jenen als begründet hinnehmen, der Mangel an Sym=pathie, welcher ſi<h in den Worten ihres Gatten aus]pra, forderte plöblih Jrma’s Zorn heraus.