Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
42 Der Talisman des Weibes.
Gretchen Werner iſt no< immer mein lieber Gaſt und wird es bleiben, bis ſi< eine ſchi>li{e Stellung für ſie gefunden hat, Jhr Vater, in deſſen Hauſe ſie bisher ein äußerſt angenehmes, ſorgenfreies Leben führte, iſt zum Schre>en Aller als ein Bettler geſtorben und hat Frau und Kinder in der drü>endſten Lage hinterlaſſen. Sie ſind von nun an auf die eigene Thatkraft angewieſen, was in dieſen verweichlichten Zeiten jedem Weibe doppelt hart fällt. Rede mix Keiner von dem Frauenglü>e der Emanzipation, es iſt Alles Unſinn! Erſt müſſen ſie ſi eines Anwaltes gegen die Verordnungen der Natux ver= ſichern, bevor ſie den Mund voll Phraſengewäſch nehmen; ſo lange das niht geſchehen fann, fo lange find Weiber Mannesſ<hußes bedürftig, und wex ſ{<üßt, will nicht hintenan ſtehen, ſondern im Vordertreffen. Das iſt der Kern der Sache, alles Uebrige ſind nur Franſen um das Kleid. :
J< fomme wieder auf Gret{en Werner zurü>. Das liebe Mädchen erwirbt ſich jezt mühſam dur< Sticken ein fleines Taſchengeld, um der Mutter etwas unter die Arme zu greifen. Sie ſpricht zuweilen von Dix, den ſie in einer Geſellſchaft geſehen und achten gelernt hat, und wünſcht ſehnlih, Deine Gattin gleichfalls kennen zu lernen. J< fann Dir abermals nur dazu rathen, lieber Neffe, Gretchen's gutes Beiſpiel als Hausmütter<hen auf Deine &Jrma twvirken zu laſſen. Du glaubſt nicht, wieviel leben= diger die That iſt als das ‘Wort. Die beiden jungen Weſen würden Freundſchaft ſ{hließen und Jrma dadur<h heimiſcher in Sittlingen werden, oder gerade heraus ge=