Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Roman von Georg Hartwig. 43
ſagt: in Deiner Häuslichkeit. Jndeſſen übereile Dich nicht mit einem Entſ<hluſſe. Ueberrede Jrma, daß ſie mix einmal ausführlich ſchreibt, damit ih ihren Charafter aus eigener Anſchauung beurtheilen fann.
Grüße an Euch Beide von
Tante Käthe.“
SFrma, welche den Schreibtiſch ihres Mannes verfpro= cenermaßen vom Staube ſäuberte und bei dieſer Gelegenheit den Brief der Stiftsdame gefunden und ohne Weiteres exbrochen hatte, ſtieß einen \{<merzli<hen Seufzer aus, als fie das herbe Urtheil über fi< geleſen. Aber dieſe weiche Regung ſ<hwand alsbald in hellem - Zorn dahin. Wer hatte denn Tante Käthe in die Nothwendigkeit verfeßt, dieſe mißachtende Meinung übex ſie zu faſſen? Jhr Gatte! 1nd warum? Jrma lachte ingrimmig auf — weil ex ſie als ein Weſen betrachtete, welches tief genug unter ſeinen Anforderungen ſtand, um fſih darüber in Klagen gegen die Stiftsdame zu ergießen. O, wie dieſes Bewußtſein der jungen Frau im Herzen brannte! Bemitleidet er fie verhöhnt! Eine harte Falte erſchien plößli<h auf Jrma?’s heiterer Stirne.
„Ich haſſe dieſe Tante Käthe,“ flüſterte ſie, das Blatt von ſi<h ſ<leudernd, „mehr als ic zu ſagen vermag! Jhr Schüßling foll niht mein Haus betreten, nie, nie —“
„Guten Morgen, Kleine!“ ſagte Meiſchi>é plölich dicht hinter ihr. „Heute früh, als i< fortging, {lieſt Du noch !“
Frma antwortete niht, das Wort ſto>te ihr im Munde, niht anders, als wenn eine Hand thx die Kehle zugedrückt