Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
58 Der Talisman des Weibes.
Sthleier, der no<h von Jrna’s Geiſtesleben zu heben war, bevor ſie zum Weibe reifte. Fhr Augenpaaxr, ſtets wech= jelnd im Ausdru>, haftete mit dankbarem Frohfinn auf Freiberg's Lippen, weil ex ſi<h für ihre Lieblingsbeſchäf= tigung intereſſirt zeigte, und ihr reizender Mund lächelte ihn ſchelmiſ< an.
Ex betrachtete ſie einen Moment ſ{weigend, dann nahm er das erſte Blatt aus der Zeichenmappe wieder zur Hand. „Was wollten Sie mit dieſer zerſtörten Roſe ſagen, gnä= dige Frau ?“
„Eigentlich,“ ſagte ſie ſtodend, „ſo ganz ausdrü>li<h wohl nichts !“
„Doch! J< wenigſtens könnte Jhnen eine Geſchichte dazu erzählen. Ein anderes Mal! Sie muß mir erſt flüſſig werden im Herzen.“
„Eine wahre Geſchichte?“
„So wahr wie ein {öner Traum !“
„Alſo niht wahr?“
„Jt es unwahr, wenn Sie im Traume glü>lih ge= weſen ſind?“ fragte er, die Mappe heftig niederlegend.
„Nein! Aber ein geträumtes Glük iſt ungreifbar wie die Morgenröthe, Ach, und je ſ{höner die Morgenröthe, deſto trüber oft der Tag — Sie kennen das Sprichwort 2“
Es ſchwebte dem Grafen auf der Zunge, zu fragen, ob ſie dieſe Lehre aus eigenen Erfahrungen gezogen habe, aber er unterließ es. „Darf ih die Staffelei dort auch in Augenſchein nehmen?
„Gewiß!“ rief ſie freudig. „Nein, das Licht irage und halte ich, damit Sie die Arbeit ungeſtört betrachten können ]“