Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
14 : Der Tali8man des Weibes.
„Zuerſt diniren wir zuſammen.“
„Bravo !“
„Dann mache ih eine Spazierfahrt.“
„Braviſſimo !“ L
„Abends ſinge ih die Lucia und fahre von der Oper direkt zum Souper in den „Ruſſiſchen Hof. Sind Sie mit mix zufrieden?“
Er bli>te ſie flüchtig, aber ſcharf an — die nervöſe Unruhe ihres Mienenſpiels konnte ihm nicht entgehen.
„Wo nux Suſanne bleibt?“ ſagte fie ablenkend, dann ging ſie etliche Male unſchlüſſig von einem Seſſel zum anderen und legte die herabgeſunkenen Roben zurecht.
Dreyſing's Augen folgten ihr voll regſten Mitgefühls. Dex eingefleiſchte Logiker in ihm und der theilnehmende Freund ſtritten ſi< um die Herrſchaft ſeiner Empfindungen. Was der Leßtere verwarf, ſtellte der Erſtere als das unanfechtbare CErgebniß geſunden Menſchenverſtandes hin. „Ein unrichtig gegebenes Crempel kann niemals eine rih= tige Löſung liefern,“ murmelte er bei ſich.
Plöblich blieb Jrmengard vox ihm ſtehen. „Zſt es wahr?" flüſterte ſie gepreßt und ihre Wimpern ſenkten ſich tief. „Jk es wahr, daß ih beinahe Meiſchi>s Mör= derin geworden wäre 2“
„Auch das noch,“ dachte er verdrießlih. Laut ſagte er faſt barſ<: „Wie ſo Mörderin? Wer hat Jhnen den Unſinn in den Kopf geſeßt? Nicht Sie tragen die Schuld an der allerdings gefährlichen Verwundung Meiſchi>'s, ſondern Freiberg's famoſer Fechtmeiſler !“
„Eine Kugel war e3 ja —“