Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
18 “Der Talis3man des Weibes.
rantinnen hinter der Scene, denen die Perſon der Primasz donna ſonſt tiefſten Reſvekt eingeflößt hatte, drehten heute die Köpfe bei Seite, ziſchelten halblaut und lächelten ein= ander bedeutſam zu, als Garda Menari mit herablaſſen= dem Gruß an ihnen vorüber in ihre Garderobe ſ<ritt. Die Sängerin, welcher die kleine Rolle der Alifa übergeben war, zögerte ſogar exſichtlih, ſi< neben ihrer berühmten Collegin einzufinden, und alte Veteranen der Bühne, Theatermeiſter und Jnſpizienten, ſchüttelten bedenklich die Köpfe, als ſie ſahen, daß der Regiſſeur in kurzen Pauſen ſich über die Stimmung im Hauſe Bericht erſtatten ließ. Das Haus war ausverkauft und bis jet vollkommen ruhig.
Dennoch flehte Suſanne, von ihrem Jnſtinkt getrieben, ihre Herrin an, von dem heutigen Auftreten abzuſtehen. „Es liegt etwas in der Luft, Fräulein, Sie können ſich darauf verlaſſen, die albernen Gänſe draußen haben es mix verrathen. Vielleicht ſpuken im Publikum falfche Gerüchte über des Grafen Tod. Werden Sie jekt noh frank! Ein Exſaß iſt ſchnell bei der Hand, Fräulein Geiſer hat die Lucia hundertmal geſungen, ſie iſt im Theater anweſend. Werden Sie krank!“
Jxmengard wandte ſich ernſt ab. „Und mein reines Gewiſſen? Mein unſchuldiges Gemüth?“
„Später —“
„Später?“ wiederholte ſie ſtolz. „Es iſt wahr, i<h verwünſche meine Sehnſucht na<h dieſex Stadt, wo Un= freundliche Geiſler mich zu umſchweben ſcheinen, und könnte ih mit Chren los, noh heute zöge i< davon auf Nimmer=