Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.
58 Der Talisman des Weibes.
Gaëtannina di Caſſero, bleicher in dieſem Augenbli> als die ſ{hwankenden Waſſerlilien an ihrer Bruſt, athmete unter einem herzbetlemmenden Dru> ſeufzend auf, als ſie Jrmengard!s ſtrahlende Augen forſchend auf ſich gerichtet ſah.
Eine intenſive Bewegung machte ſich in der E>gruþpe rechts vor dem Podium bemerkbar. Hans Meiſchi> war ſo heftig zuſammengezu>t, daß es ſchien, als wolle er vor der lieblichen Erſcheinung gewaltſam zurü>weichen, und wer ihn beobachtet, hätte ein unheimlich ſnelle Faxben= ſpiel ſein Antliß überfliegen ſehen. Mechaniſch ſtrich ex mit der Hand über die ſtarren Augenlider, als müſſe er eine Sinnestäuſchung zerſtören — umſonſt! Als ex die Hand ſinken ließ, ſtand die nämliche Geſtalt vor ihm. Ex fam ſi verächtlich vor und konnte es doh niht hin= dern, daß ſein Bli wie in banger Frage an Jrmengard?s roſigen Lippen hing. Welch? ein drängendes Gefühl, Zorn, Bewunderung, Bitterkeit oder Schmerz, unſagbar aufregend und quälend, trieb ihn ebenſo heftig vorwärts in den Lichtkreis des einſt ſo geliebten Weibes, als es ihn zu= rüdzog aus der Nähe der Treuloſen! Hatte er darum mit faſt übermenſchlicher Ausdauer und ſittlicher Kraft jede Nilkerinnerung niedergezwungen, ſich frei gemacht von einem unwürdigen Joche um den Preis heroiſ<h unter= drüctten Seelenleides, damit ex, von der blinden Macht des Zufalls überraſcht, die ſ<hwere Errungenſchaft dreier Jahre in einem Augenbli> wieder verlieren ſollte?
Sie ſang — ſüß und leiſe.
Daß er nicht fliehen konnte! Daß ſein Wille an der Mauer des Anſtandes und der guten Manieren wirkungslos