Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
228 Wiener Walzer.
Die Wndlexr Schubert's fanden denn au< den Beifall, (welchen ſie verdienten. Auf den Kirhweihfeſten jodelte ſie das Volk, und auf den glänzenden Feſten der Hofburg drehte ſich der Cavalier nah ihnen mit ſeiner reifro>tragenden Dame. All’ die Tänze, welche zu Beginn unſeres Jahrhun= derts in Wien beliebt waxen — Polonaiſe, Eccoſſaiſe, Polïa, Mazurka — ſie mußten ſi flüchten vor der Beliebtheit, welchen dex deutſche Ländler Franz Schubert's fand. Uebri= gens hat ex ſelber auch für jene fremdländiſchen Tänze Kom= poſitionen geliefert. Gewiß verrathen ſie den großen Meiſter, welcher ſie geſchaffen, aber ſeinen Ländlern kommen ſie darum doh nimmer glei<h; man merkt ihnen bei aller Schönheit gleichwohl an, daß ſie ein fremder Tropfen in dem Blute dieſes e<t deutſhen Tondichters ſind.
Aus der Reihe Derjenigen, welche, dur< Schubert's Beiſpiel angeregt, dem volfsthümlichen Ländler ihre Aufz merkſamkeit nunmehr zuwandten, ragt Joſeph Launer her= vor. Wie Jener ein e<ter Sohn Wiens, war er auch aus Dürftigkeit und Arbeit hervorgegangen. Alte Wiener erinnern ſi< no< aus den zwanziger Jahren eines jungen Mannes, welcher ſi in dürftiger Kleidung vor dem Burg=thor ſein Brod ergeigte. Gleichgiltig warfen ſie ihm im Vorübergehen ihre Spende in den abgegriffenen Hut, ohne zu ahnen, daß der beſcheidene Geiger einſt als Liebling der Kaiſerſtadt Wien das Chrenbürgerreht derſelben erz halten werde. Zuerſt trat Lanner vollkommen in die Fuß= ſtapfen Schubert's. Wie Jener pflegte er den voltsthünt= lichen Ländler. Aber bald entpuppt er ſi< unter ſeinen emſig ſpielenden und komponirenden Fingern als Walzer. -