Bitef

met amorpho s en Blaubart, S"t S f rauen in Béla Bartóks sinfonischer Oper »Herzog Blaubarts Burg « aus dem Jahre 1911 Variante; denn Bartóks jeglicher Konkretisierung : bei Bartók wird weder gefoltert noch getötet. Judith, die letzte Frau, tritt in die Burg des Blaubart wie in ein ehemaliges Gefängnis oder auch wie in ein Museum. Nacheinander öffnen sich sieben Türen und geben den Blick frei auf eine Foltekammer, eine Waffenkammer, eine Schatzkammer, einen blutigen Garten, ein riesiges Reich, ein Tränenmeer und schließlich auf die Grabkammer mit den ermordeten Vorgängerinnen Judiths. Diese Oper ist ein Gleichnis : Mit dem legendären Frauenmörder ist kein historischer Einzelfall (wie etwa König Heinrich VIII. von England) gemeint, sondern der Mensch schlechthin. Die Burg steht für die Seele des Menschen, die einzelnen Kammern für die Abgründe der Seele, die sich in jedem von uns verbergen oder auftun. Die Folterkammer ist somit als Symbol für die sadistischen Charakterzüge in uns zu verstehen; die Waffenkammer steht für männliche Kraftprotzerei ; die Schatzkammer für Raffund Geldgier ebenso wie für Geiz; der blutige Garten ist ein ehemaliges Schlachtfeld wie auch ein Soldatenfriedhof; mit dem riesigen Reich sind Macht und Erfolgsdenken wie auch Ruhmsucht gemeint; das Tränenmeer steht für all die Leiden und Schmerzen, welche die genannten Gelüste und Triebe verursachen (besonders auch dann, wenn sie nicht gelebt werden dürfen) ; und die Grabkammer mit den Leichen der Ermordeten steht für algebrochene menschliche Beziehungen (es kann ja durchaus eine Freundschaft oder Liebe in uns sterben, derweilen wir weiterleben). Freilich: ganz so simpel und eindimensional (wie sich dieser verbale Entschlüsselungsversuch hier liest) ist die Bartóksche Symbolik natürlich nicht; denn mit den sieben Kammern können ebensogut sieben wichtige Lebensabschnitte im Leben eines Menschen gemeint sein. So gesehen, wären mit der Folterkammer die Kindheit, mit der Grabkammer das Alter und mit den anderen Kammern die Jahrzehnte dazwischen gemeint: mit der Waffenkammer die Soldatenzeit des wehrpflichtigen Mannes im Krieg, mit der Schatzkammer das Auf bauen eines Imperiums des Politikers oder Geschäftsmannes u. s. f.

»Stille Wasser sind tief«, sagen wir und beziehen dieses Sprichwort auf Menschen, die sehr verschlossen und zurückhaltend sind und die ihre »schwarzen Gedanken «, ihre Empfindungen, ihre Seelennöte und Ängste unter dem Mantel des Schweigens verbergen. Je stiller und reservierter jedoch ein Mench ist, je ängstlicher er seine Geheimnisse hütet, um so stärker erwacht in seinen Mitmenschen der Wunsch, eben diese Geheimnisse zu enträtseln, und damit Neugierde und Jagdinstinkt. Und nie ist dieses psychologische »Jagdfieber« größer als in der Liebe: Der Liebende wird zum Jäger, der Geliebte zum Gejagten, zum Opfer, das sich verzweifelt darum bemüht, seine Freiheit, seine Selbständigkeit und seine Geheimnisse zu erhalten, ja: vor dem » Angreifer «, dem Besitzergreifenden in Sicherheit zu bringen. Nicht von Ungefähr bezeichnen wir Don Juan, den anderen großen Archetypus neben Blaubart, als » Schürzenjäger «. Beiden Stoffen, dem Don Juan wie auch dem Blaubart-Mythos ist gemein, daß es sich in beiden Fällen um Entkleidung, Enttarnung, Demaskierung, Decouvrierung, Aufdeckung und Entblößung handelt. Nur: der Unterschied zwischen Don Juan und Blaubart liegt darin, daß Don Juan oberflächlicher, weil triebhafter ist: kaum, daß er eine Frau » erkannt « hat (um einen biblischen Terminus zu gebrauchen), ist es mit seinem Interesse an der Frau und an dem Menschen auch schon vorbei. Der Blaubart-Stoff kommt uns, die wir im Zeitalter der Psychoanalyse leben, und unseren Problemen weit mehr entgegen, denn er lehrt uns, daß es bei weitem nicht genügt, mit einem Menschen zu schlafen, um ihn zu »erkennen«: Es gibt ja Menschen, die jahrzehntelang in schönster bürgerlicher Ordnung und Ehe miteinanderoder auch nebeneinanderherleben, ohne den Partner je erkannt zu haben; Ehepartner also, die sich auch noch am Tage ihrer silbernen Hochzeit ein Buch mit sieben Siegeln sind (wobei die Zahl Sieben nicht zufüllig auf die Türen in Blaubarts Burg verweist). Und womöglich haben einige dieser Verbindungen gerade deshalb so lange gehalten, weil es die Partner verstanden haben, immer wiede ein Geheimnis aus sich zu machen, wodurch sie die Neugier und das Interesse des Partners wachzuhalten vermochten. Wie Lohengrin seiner Elsa gebietet: »Nie sollst du mich befragen!«, so bittet auch Blaubart: »Liebe Judith, frag nicht weiter!«. Und wie Blaubart Prototyp das Mannes ist, der sich verschließt und so aus seinem Herzen eine Mördergrube macht, so ist Judith hier Prototyp des ewigfragenden Menschen, Inkarnation der Neugier, der Gier, des Besitzergreifens ; Judith will ihren Blaubart ganz, sie will ihn mit Haut und Haaren, und sie will jedes Geheimnis von ihm wissen. Mit ihrem insistieren treibt sie ihn in die Reserve und zerstört das Vertrauensverhältnis, das ja zunächst auf Unkenntnis und Unwissenheit also auf Hoffnungen und Illusionen gebaut ist. Indem sie seine Persönlichkeit entziffert und seine Geheimnisse aufdeckt, zerstört sie Blaubart und dieser, um nicht selbst zerstört zu werden, wehrt sich, indem er Judith zerstört. Ein Akt der Notwehr? Beide, Blaubart und Judith, wollen Liebe. Aber für Blaubart ist Liebe etwas anderes als für Judith. Blaubart versteht