Bitef

unter Liebe Vertrauen, das haißt, er will, daß sie an ihn glaubt. Sie hingegen, die zweifelnde Realistin, gibt sich mit Glauben nicht zufrieden: sie will Wissen; daher ihre Neugier. Sie bietet somit dem Blaubart das Gegenteil dessen, was er will: sie bietet Mißtrauen. Und weil sie nicht eher ruht, als bis sie ihm auch noch letzte Geheimnis entrissen hat, muß sie eben »dran glauben«, wie all die anderen neugiering Frauen vor ihr. (Für Sigmund Freud ist Blaubart der Prototyp des impotenten Mannes, der um seine » Schande « zu vertuschen die Zeuginnen seines Versagens zum Schweigen bringen will.) Soweit der Stoff; soweit Béla Bartóks Oper und soweit der Ausgangspunkt für unser Thema. In Pina Bauschs neuem Theaterstück geht es um den andauernden Kampf der Geschlechter, nicht nur um das Ringen um Tarnung und Enttarnung, sondern um die »condition humaine «; das Spannungsverhältnis zwischen Mann und Frau, das Nicht-Allein-Sein-Können des Einzelnen innerhalb der menschlichen Gesellschaft, das Nicht-Auskommen-Können ohne den Anderen; und zugleich das All ein-Sein-Wollen, ja Müssen, damit verbunden dann zwangsläufig die Hilflosigkeit, Einsamkeit und Armseligkeit des Menschen, wenn er wieder allein ist und seine vermeintliche Selbständigkeit und Freiheit » gerettet « hat. Die Choreografie der Bausch erklärt die paradoxe Grundbedingung der menschlichen Existenz, egal ob Mann oder Frau : das Sich-Zueinander-Hingezogen-Fühlen der Geschlechter und im selben Maße und zur selben Zeit das Sich-Abgestoßen-Fühlen vom andern. Pina Baucsh hat ein Theaterstück geschaffen über die Polarität des Menschen, der sich aus männlichen und weiblichen Komponenten zusammensetzt, über das männliche Prinzip, das sich nach der Ergänzung durch das weibliche Prinzip sehnt und umgekehrt. Die Choreografin hat somit den von Béla Bartók vorgezeigten Weg der Abstraktion beschritten und ist ihn weiter gegangen; denn nicht Folter und Mord sind hier von Interesse, sondern die Gedanken, Empfindungen, Triebe und Instinkte, die zu deratigem Extremverhalten f ühren die Motive also sind hier von Belang. Ähnlich wie bei Samuel Beckett (»Das letzte Band«) zeig dieses Theaterstück einen Mann beim Abhören eines Tonbandes (natürlich einer Aufnahme von Béla Bartóks Oper »Herzog Blaubarts Burg« ) und führt seine Erinnerungen und Assoziationen vor, die ihm beim Anhören dieser Stationen eines Lebens kommen zurückreichend bis in die Kindheit und damit bis in tiefenpsychologische Schichten. Das ist nun aber durchaus keine denunziatorische Abrechung mit dem Mann oder mit der Frau .Es ist vielmehr der Versuch einer ganz objektiven Feststellung und Beschreibung der Geschlechter, vor allem in ihrer psychischen Anatomie. Demantsprechend passiert hier eine Art geistig-seelische Autopsie. Das Seziermesser wird jedoch nicht vom Psychiater geführt, sondern von der Regisseurin und Choreografin. Aufgedeckt und zutagegefördert wird nicht nur die Seele der Frau mit ihrem Bestreben, den Mann in einen goldenen Käfig sperren zu wollen, sondern auch die des Mannes, der sich insgeheim nach Geborgenheit und Gefangenschaft in diesem Käfig sehnt, obwohl er frei

sein will, sobal er dieser Geborgenheit teilhaftig wird. Dabei kommen die Männer im Prinzip genau so schlecht weg wie die Frauen. Ebenso wie Albernheit, Neugier und das Besitzergreifende der Frau aufs Korn genommen werden, müssen sich auch die Männer mit ihrem Imponiergehabe, ihrem Angebertum, ihrem Geltungsbedürfnis, ihrer Kraftmeierei und ihrem Sich-Aufplustern herbe Kritik gefallen lassen. Aber Pina Bausch führt hier nicht nur die Gegensätze zwischen Mann und Frau vor, sondern auch die Gemeinsamkeiten : die Sehnsucht nach der Kindheit, das Anlehnungsbedürfnis, die Angst vor dem Alleinsein, und last not least auch das Animalische des Menschen. Das Tier im Manschen ist eines der großen Generalthemen dieses Stücks, das gleichsam ein Schauspiel vor der Erfindung der Sprache, Bindeglied und Übergangsstufe zwischen Choreografie und Sprechtheater ist, und das aus dem gesamten Vokabular animalischer Artikulationsmöglichkeiten lebt. Hier ist vergleichbar vielleicht nur noch mit Peter Handkes »Das Mündel will Vormund sein« ein Theaterstück aus Urlauten entstanden, das uns unsere Tierhaftigkeit, die wir mit den Mitteln der Sprache doch längst verdrängt und verschüttet haben, wieder vor Augen führt: Lachen, Weinen, Schreien, Flüstern, Räuspern, Husten, Summen, Wimmern, Jammern, Seufzen, Stöhnen, Ächzen, Kichern, Knurren, Brummen, Pfeifen, Zwitschern, Kreischen, Quieken und Stammeln drücken hier mehr aus, als Worte je auszudrücken imstande wären. Gerade aber durch dieses Arbeiten mit Urlauten wird die Sprache in ihrer ganzen Unvollkommenheit als Kommunikationsmittel erst richtig entlarvt, die gestaltete Bewegung hingegen erneut in ihre Rechte eingesetzt: Wie armselig, kalt, leer, ja verlogen wirkt da plötzlich der vielleicht schönste Satz der Welt »Ich liebe dich !«, wenn er so wie hier (sinnfällig und überzeugend demonstriert) mit all seinen Abnutzungserscheinungen vorgeführt wird. Immer ist es die Sprache, mittels derer wir uns über das Animalische in uns hinweglügen. Mit den von der Bausch hier verwendeten Ausdrucks-Mitteln, Urlaut und Choreografie, ist keine Lüge möglich, wohl aber Wahrheitsfindung Hauptanliegen dieser Inszenierung. (Edmund Gleede)

kosmos vizijü i emocija Balet Pine Bausch »Plavobradi« priča nam о jednom muiśkarcu i zeni. Ljubav ovog para ispunjena je nežnošću, ali i problemima i konfliktima. Ukratko, ljubav