Bitef

Cannes, Gustaf Gründgens verstarb 1963 an einer Oberdosis Schlafmittel auf einer Weltreise in Manila. Postmortales Aufsehen erregte der Streit seiner politischen Bedeutung wegen - ein Emigrant gegen einen hohen Würdenträger des Dritten Reichs, der politisch Verfolgten geholfen und durch seine Kolaboration in den Augen vieler Generationsgefährten die Traditon des deutschen Theaters über dieses Dritte Reich hinweg gerettet hatte. Aber es gibt noch den familiären Aspekt. Gustaf Griindgens war in erster Ehe mehrere Jahre mit Erika Mann, der Schwester von Kalus Mann, verheiratet. Die Ehe wurde 1929 geschieden. Und nicht ohne tragische Fügung ist es, daß wohl einer der Gründe zu Klaus Manns Freitod die Ablehnung Der schon zugesagten Veröffentlichung des „Mephisto“-Romans durch einen Verleger in West-Berlin gewesen ist. Diese hatte das Werk herausbringen wollen, war jedoch inzwischen wegen der politischen Verhältnisse nach Bayern übersiedelt. Am 5. Mai 1949 schrieb er an Klaus Mann; „Von hier aus aber kann man schlecht den, „Mephisto" starten, denn Herr Gründgens spielt hier eine bereits sehr bedeutende R011e... Von Berlin aus hätte man so etwas leichter starten können: im Westen

ist diese Aktion aber keinesfalls einfach.“ Kalus Mann antwortete ihm am 12. Mai 1949, neun Tage vor seinem Tod: Sehr geehrter Herr Jacobi, Ihr Brief vom 5. Mai ist unbezahlbar! Einen Roman drucken - das heißt bei euch jetzt also eine Aktion starten. Diese aktion, so meinen Sie dürfte im Fall des , Mephisto’ keinesfalls einfach sein und muß ergo zunächst unterbleiben. Warum? Weil Herr Gründgens... hier eine bereits bedeutende Rolle spielt. Das heiße ich mir Logik! Und Zivilcourage! Und Vertragstreue! - Ich weiß nicht, was mich mehr frappiert: die Niedrigkeit Ihrer Gesinnung oder die Naivität, mit der Sie diese zugeben. Gründgens hat Erfolg: warum wollten Sie da ein Buch herausbringen, das gegen ihn gerichtet scheinen könnte? Nur nichts riskieren! Immer mit der Macht! Mit dem Strom schwimmen! Man weiß ja, wohin es führt: zu eben jenen Konzentrationslagern, von denen man nachher nichts gewußt haben wi11... Ich darf Sie um die Gefälligkeit bitten, mir das Ihnen anvertraute Exemplar des ,Mephisto’ (eine Seltenheit) umgehend an obige Adresse schikken zu wollen. Bitte schreiben Sie mir nicht mehr. Hochachtungswoll Klaus Mann

Der Mephisto-Prozeß gilt als der bekannteste Literatur-Prozeß der deutschen Nachkriegszeit. Überlegungen, welcher Natur der künstlerische Schöpfungsakt sei, spielen eine entscheidende Rolle. Seltsamerweise haben Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof gemeint, es wäre dem inzwischen verstorbenen Klaus Mann, hätte er gelebt, zuzumuten gewesen, das Werk nach 1945 dso umzugestalten, daß der Leser Gründgens in der Hauptfigur des Romanes, Hendrik Höfgen, nicht wiedererkenne. Denn durch die Neuherausgabe in unveränderter Fassung zum damaligen Zeitpunkt (1965) würde die Ehrverletzung und Verunglimpfung von Gründgens fortgesetzt werden, die durch frühere Ausgaben bereits eingetreten sind. Klaus Mann hat sich in seiner Autobiographie Der Wendepunkt geäußert, wieweit sein ehemaliger Schwager als Vorbild diente. Leider erst nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs fand sich eine weit frühere Äußerung des Verfassers dazu, nämlich ein Telegramm, das er im Juni 1936 an die Redaktion des Pariser Tageblatts gesandt hatte: Kein Schlüsselroman. Eine notwendige Erklärung von Klaus Mann. Sehr geehrte Redatkion es bedeutet eine große Freude für mich, daß der erste Roman, welcher im Feuilleton der mit so viel Tapfer-

keit, Elan und Energie gegründeten neuen Pariser Tageszeitung läuft, mein Mephisto ist. Ich muß aber Ihnen - und ich muß es vor allem unseren Lesern-gestehen, daß mein Vergnügen eine gewisse Einbuße erlitten hat durch die überraschende und keineswegs sehr glückliche Form, auf die Sie meinen Roman in ihren Spalten ankündigen. Nicht ohne Schrecken bemerke ich als Überschrift Ihrer Voranzeige die Wort: Ein Schlüsselroman. - Ein Schlüsselroman? Wann hätte ein Schriftsteller, der solchen Namen irgend verdient, etwas hervorgebracht, was er mit dieser nicht gerade ehrenvollen Bezeichnung belegt sehen möchte? Ich muß protestieren um der Würde Ihres Blattes willen, um unserer Leser willen, die zu anspruchsvoll sind, als daß si mit Schlüsselromanen amüsiert sein möchten; schließlich auch um meiner eigenen Würde willen. Ich bin egenötigt, feierlich zu erklären; Mir lag nicht daran, die Geschichte eines bestimmten Menschen zu erzählen, als ich Mephisto, Roman einer Karriere schrieb. Mir lag daran, einen Typus darzustellen, und mit ihm die verschiedenen Milieus (mein Roman spielt keineswegs nur im braunen), die soziologischen geistigen Voraussetzungen, die solchen Aufstieg erst möglich machten. In Ihrer Voranzeige steht bedauerlic-