Bitef

her Weise, mein Mephisto trage die Züge eines bestimmten, heute in Deutschland erfolgreichen Schauspielers; ich will seinen Namen hier nicht wiederholen. Ja, diesen Schauspieler habe ich in der Tat gekannt. Aber was kann er heute für mich bedeuten? Vielleicht eine persönliche Enttäuschung; vielleicht nicht einmal das... Bin ich so tief gesunken, Romane um Privatpersonen zu schreiben? Meine Enttäuschung, mein Zorn, mein Schmerz - sind sie so ziellos, so privat, daß sie sich mit Individuen beschäftigen, denen ich dieses oder jenes übel nehme und an denen ich mich in Form eines Schlüsselromans räche? Mein Schmerz, mein Zorn, meine Entrüstung haben größere Gegenstände, als ein bestimmter Schauspieler es sein könnte, und sei er selbst zum Intendanten aufgestigen. Wenn ich die Erkenntnise und Gefühle, die drei bittere Jahre für uns mit sich brachte, in einer - übrigens, wie ich hoffe, nicht nur polemisch koncipierten, sondern auch episch geformten - Figur zasammenfasse, sie in einer Figur verdichte - so kann dies nur in einer dichterischen, repräsentativen nur in einer erfundenen Figur geschehen! Nein, mein Mephisto ist nicht dieser oder jener. In ihm fleißen vielerlei Züge zusammen. Hier handelt es sich um kein „Porträt“, sondern um einen

symbolischen Typus - der Leser wird beurteilen, ob auch um einen lebensvollen, dichterisch geschauten und gestalteten Menschen. Der Leser, and den ich diese Zeilen vertrauensoll richte, würde - so möchte ich annehmen - auch ohne diese meine „Erklärung“ festgestellt haben, daß meine erzählerische Arbeit mit der Bezeichnung „Ein Schlüsselroman“ unzutreffend charakterisiert ist. Trotzdem mußte ich diese Erklärung machen. Denn wichtiger als alle taktischen Erwägungen, wesentlicher als alle Rücksichten scheint wes mirheute mehr denn je - daß wir-gerade wir in der Emigration - über unserer schrifstellerischen und intellektuellen Ehre wachen und sie vor jeder Ungeschicklichkeit - wie sie im Eifer des Gefechtes unter Kameraden wohl passieren kann - leidenschaftlich verteidigen, da wir sie doch vor der Böswilligkeit und Infamie zu Hause schon nicht verteidigen können. Mit den besten Grüßen und Wünschen für Ihre Arbeit Ihr ergebener K. M. Offenbar mit Erfolg vor Gericht hatte der Kläger auf die Besprechung des Romans durch den Journalisten Paul Hühnerfeld anläßlich der Aufbau-Ausgabe (1956) hingewiesen. Danach sei der Roman ein Dokument der Privatrache eines von Res-

sentiments geschüttelten blindwütigen Bruders, der die Ehre der Schwester verletzt sieht. Diese Umdeutung des Haß-Motivs vom Politischen ins Private kann man mit den Urteilen als Resultat eines sublimen Verdrängungsproczesses in Zusammenhang bringen, wie W.F. Schoeller das bezeichnete. Es handelt sich um einen politischen prozeß- weil eben der Roman selber politisch durch und durch ist. Nur die Richter der 1. Instanz (am Landgericht Hamburg) hatten die Chance, jung genug zu sein, um nicht im Schatten der Vergangenheit zu stehen. In den weiteren Gerichtsinstanzen mußte die Freiheit der Kunst hinter dem Schutz einer (verstorbenen) Persönlichkeit und der Menschenwürde zurücktreten. Schließlich scheterte unsere Verfassungsbeschwerde an einem im wahren Wortsinn phantasie-losen Kunstverständnis, das zuließ, daß ein Kunstwerk wie Mephisto von Richtern mit der Elle der Ralität gemessen wird. Damit wird der Kunst die Freiheit genommen, die ihr als „höherer“ Wirklichkeit zusteht. Dadurch klammerten sich die Richter, die das so sahen, am Besonderen, dem persönlichen Hintergrund, fest, um das Allgemeine und damit das Politische des Stoffes um so leichter zu verdrängen. Ging es im Roman selber um den Pakt der Kunst mit der Macht, war es

in der Auseinandersetzung um den Roman die Macht (der Gerichte), die der Kunst ihren Freiraum als Gegenwirklichkeit versagte. Berthold Spangenberg

Innere Emigration Lauter .Innere Emigration’! Plötzlich entdecken alle ihre demokratische Vergangenheit und, wenn irgend möglich, ihre, ,nichtarische’ Großmama. Jüdische Ahnen sind enorm gefragt. Die feinsten Leute - Emil Jannings zum Beispiel - haben sich über Nacht ein wenig semitisches Blut zugelegt. Jannings übrigens gehört zu den sehr wenigen alten Bekannten, denen ich bisher meine Aufwartung gemacht, nicht aus purer Freundschaft wohlgemerkt, sondern aus beruflichem Interesse. Von Salzburg aus fuhr ich eines Tages zum Wolfgangsee, wo ich in seinem schönen, reichen Haus alles wie früher fand: Chow-Hund und Papagei, Frau Gussy, Fräulein Ruth und Emil selber, dick und jovial, ein Biedermann mit falschen, kleinen Augen und schweren, hängenden, dabei beweglichen und ex-