Bitef

pressiven Zügen. - Ich - ein Nazi? Die Ideee schien ihm belustigend, aber zugleich empörend. Haha, mein Junge! Da kennst du aber deinen Emil nicht! Woraufhin er ernst, fast innig wurde. Nuin laß dir mal erzählen... Den Arm auf meiner Schulter, die großflächige und ausdrucksstarke Mimen-Physiognnomie sehr nah an mich herangerückt, ließ er mich seine tragische Geschichte wissen. Ein Verfolgter war er gewesen! Ein Märtyrer - Goebbels hatte ihn gehaßt - vor allem wegen der schlechtrassischen Großmama, aber auch, weil unser Emil die demokratischen Ideale nicht verleugnen wollte. Du weißt ja, wie ich bin! Sein Gesicht, gar zu nah dem meinen, war von einer Redlichkeit, wie man sie höchstens bei sehr alten Hunden findet. „Ich kann den Mund nicht halten.“ Jetzt auch noch feuchte Augen! Offenbar, er hatte nichts verlernt, war schauspielerisch in großer Form geblieben. Man sähe gerne seine neuen Filme, den Ohm Krüger etwa,.. Ohm Krüger? Er wehrte ab, wollte nichts davon hören Ein schlechter Film! rieff er aus, wobei er täppisch-brav durchs Zimmer stapfte Ein Scheißfilm! rief er markig. So ein Nazi-Dreck! Hätte ich mich doch nie drauf eingelassen! Aber was sollt’ich tun? Ich bin gezwungen worden! Nicht, als ob meine eigene Freiheit, mein eigenes Leben

mir so wichtig wären! Aber man ist Familienvater, hat Weib und Kind... Sollte ich meine Auguste darben lassen? (In dramatisch bewegten ödere rührseligen Augenblicken wird aus der mondänen Gussy eine matronenhaft schlichte, gleichsam altdeutschholzgeschnitzte , Auguste’) Und mein Kind, hier meine kleine Ruth? Seine Gebärde und der nasse Blick schienen einem sehr jungen, höchst gebrechlichen Geschöpf zu gelten, während Fräulein Ruth doch eher stämmig und übrigens schon an die Vierzig ist. Was wäre aus ihr geworden? So hatte er also, Weib und Kind zuliebe, die Hauptrolle im Nazi-Film akzeptiert, mitsamt der fetten Gage. Aber ein Nazi? Nein!, Von Anfang an dagegen... Unter den vielen Menschen, mit denen ich mich in Deutschland unterhalten habe, gab es nur einen, der den Mut oder die immerhin eindrucksvolle Frechheit hatte, für Hitler einzutreten. Diese originelle Persönlichkeit war eine Frau, und übrigens keine Deutsche, Winifred Wagner, geborene Williams, Adoptivtochter des Musikers Klingworth, ist englischer Herkunft. Ich besuchte die. Dame in ihrem Landhaus bei Bayreuth. Wir sprachen über Hitler. Ob wir befreundet waren? Aber gewiß doch! Certainly! And how! Sie schien auch noch stolz darauf! Hocherhobenen Hauptes, üppig und blond saß

sie mir gegenüber, eine Walküre von imposantem Format und imposanter Unverfrorenheit. Er war reizend, sagte sie aggressiv. Von Politik verstehe ich nicht viel, aber von Männern eine ganze Menge. Hitler war charmant. Ein echter Österreicher, wissen Sie! Gemütvoll und gemütlich! Und sein Humor war einfach wundervoll. .. Auch eine Charakterisierung! Klaus Mann