Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1, S. 172
114 Erſte Ordnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Hundsaffen).
daß einer oder zwei der lebten gar niht zum Sprunge ſi entſchließen können, bis die anderen außer Sicht ſind. Dann werfen ſie ſich förmlich verzweifelt und aus Furcht, allein gelaſſen zu werden, in die Luft, durhbrechen die ſ<hwachen Zweige und ſtürzen oft zu Boden. Da, wo ſie ungeſtört ihr Weſen treiben dürfen, werden ſie zudringlih, erſcheinen unmittelbar auf oder vox den Häuſern und rihten mancherlei Schaden an; ja es kommt ſogar vor, daß ſie Kindern gefährlih werden. So wurde, wie Tennent erzählt, das Kind eines europäiſchen Geiſtlichen, welches die leihtſinnige Amme vor das Haus hingeſeßt hatte, von Shhlankaffen überfallen und derartig gequält und gebiſſen, daß es den erlittenen Mißhandlungen erlag. Die Nahrung beſteht aus den verſchiedenſten Pflanzenteilen, Früchten aller Art, ſoweit ſie ſolche öffnen können, Knoſpen, Blättern und Blüten. Fnsbeſondere nähren ſie ſi<, laut Tennent, von Bananen. Doch ſcheinen ſie gewiſſe Blumen und Blüten, beiſpiel8weiſe die des roten Hibiscus, folhen Früchten no< vorzuziehen und vertilgen außerordentlihe Mengen davon — ein Wink für diejenigen, welche derartige Affen in Gefangenſchaft halten wollen.
Die Singhaleſen haben die Meinung, daß die Überbleibſel eines Affen niemals im Walde gefunden würden. „Wer eine weiße Krähe, das Neſt eines Reisvogels, eine gerade Kokosnußpalme oder einen toten Affen geſehen hat“, ſagen ſie, „iſt ſicher, ewig zu leben.“ Dieſer Volksglaube ſammt unzweifelhaft von Jndien her, weil dort einer der hervorragendſten Schlankaffen göttliche Ehre genießt und man allgemein der Überzeugung iſt, daß jemand, welcher auf dem Grabe eines ſol<hen Affen oder auh nur auf ſeinem Todesplaßze ruhen odex raſten wollte, ſterben müßte, ja daß ſelbſt noch die vergrabenen Knochen Unheil ſtiften fönnten. Aus dieſem Grunde läuft jeder, welcher ein Haus bauen will, zu den Zauberern ſeines Volkes und verſichert ſih dur< ihre „Kunſt“, daß auf dem für das Haus gewählten Plate niemals ein derartiges Unglü> geſchehen ſei.
Unter den Schlankaffen verdient zunächſt berücſihtigt zu werden der Hulman, der Langur oder Hanuman, wie die Hindu ihn nennen, der Wanar der Marathen — der heilige Affe der Jnder (Semnopithecus entellus, Simia entellus). Er iſt der gemeinſte und in den meiſten Gegenden Vorderindiens vorkommende Affe und verbreitet ſich immer mehr, weil man ihn nict allein ſ<hüßt und hätſchelt, ſondern in gewiſſen Gegenden auch einführt. Die Geſamtlänge des ausgewachſenen Männchens beträgt nah Elliot 1,57 m, nah Zerdon manchmal bis 1,72 m, wovon freilih 97 cm auf den verhältnismäßig ungemein langen, gequaſteten Shwanz kommen, das Gewicht 9—11 kg. Die Färbung des Pel zes iſt gelblichweiß, die der na>ten Teile dunkelviolett. Geſicht, Hände und Füße, ſoweit ſie behaart ſind, und ein ſteifer Haarkamm, welcher über die Augen verläuft, ſind ſ<hwarz; der kurze Bart dagegen iſt gelblich.“ Die Verbreitung dieſes in nördlihen Teilen Vorderindiens ſo wohlbekannten Affen iſt, ſeltſam genug, auch heute no< niht genau abgegrenzt. Nah Blanford findet er ſih niht im Pandſchab und in Sind, ſondern erſt öſilih davon im ſüdlichen Radſchputana, in Gudſcherat, Bombay, in den Mittelprovinzen, im ſüdweſtlichen Bengalen und Oriſſa, vielleicht auh no< ſüdwärts vom Godawari. Hutton behauptet, daß er öſtlih vom Hugli und nördlih vom Ganges niht heimiſh und, wo er doh geſehen werde, eingeführt worden ſei. Blanford dagegen verſichert beſtimmt, daß er au< in Audh vorkomme und im allgemeinen wohl au<h am Fuße des Himalaja. Jm Gebirge ſelbſt wird er erſet dur 8. schistaceus, mit dem er leiht verweſelt wird, der aber, heimiſch von Kaſchmir bis Bhutan, nirgends unter 2000 m Höhe herabſteigen ſoll.
Dex Hulman nimmt nicht den leßten Plaß unter den unzähligen Gottheiten der Hindu ein und erfreut ſi dieſer Ehre ſchon ſeit undenklichen Zeiten. Der Rieſe Navan, ſo berichtet die altindiſhe Sage, raubte Sita, die Gemahlin des Shri-Nama, und brachte ſie nah ſeiner Wohnung auf der Fnſel Ceylon; der Affe aber befreite die Dame aus ihrer