Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
492 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.
band unſer Forſcher eine Henne an einer langen Schnur feſt und ſtellte ſich ſodann auf die Lauer. Nach einiger Zeit ſtre>te der Räuber bald hier, bald dort den Kopf zwiſchen den Bromelien hervor und ſah ſi< vorſihtig um. Hierauf ſuchte er unbemerkt der Henne ſi zu nähern, dute dabei den Körper ganz auf die Erde und \{<li< ſo vorſichtig, daß kaum die Grashalme ſi<h bewegten. Als er ſeinem Schlachtopfer bis auf 6 oder 8 Fuß ſich genähert hatte, zog er den Körper zuſammen und machte einen Sprung nach der Henne, pate ſie ſofort mit den Zähnen beim Kopfe oder am Halſe und verſuchte, ſie nach der Hee zu tragen. Hühnerarten ſcheinen überhaupt zu ſeinem Lieblingswilde zu gehören, und er ſoll dieſelben, wie der genannte Forſcher verſichert, auh von den Bäumen herabholen, während ſie ſhlafen. Niemals aber tötet er mehr als ein Tier auf eimnal. Macht er nur kleine Beute, welche ihn nicht vollkommen ſättigt, ſo zieht er zum zweiten Male auf Raub aus und holt ſih wieder ein Stü>, bis er ſeinen Hunger geſtillt hat.
Gewöhnlich lebt der Yaguarundi paarweiſe in einem beſtimmten Gebiete und unternimmt von hier aus kurze Streifereien. Nicht ſelten teilt er ſeinen Jagdgrund auch mit anderen Paaren, was ſonſt nicht die Art der Wildkagen iſt: Nenggers Hunde jagten einmal ſe{<s erwachſene Yaguarundis aus einer einzigen He>e heraus. Zur Zeit der Begattung, welche in die Monate November und Dezember fällt, kommen natürlich mehrere Männchen zuſammen; man hört ſie dann in dem Bromeliengeſtrüppe ſi< herumbalgen und dabei fauchen und kreiſchen. Etwa 9—10 Wochen nah der Begattung wirſt das Weibchen 2—8 Junge auf ein Lager im dichteſten Geſträuche, in einem mit Geſtrüppe überwa<hſenen Graben oder in einem hohlen Baumſtamme. Niemals entfernt ſich die Mutter weit von den Jungen. Sie verſorgt dieſe, ſowie ſie größer werden, mit Vögeln und kleinen Nagetieren, bis ſie die hoffnungsvollen Sprößlinge ſelbſt zum Fange anleiten und deshalb mit ſih hinaus auf die Jagd nehmen kann. Bei herankommender Gefahr aber überläßt ſie ihre Kinder feig dem Feinde und wagt niemals, ſie gegen Menſchen oder Hunde zu verteidigen. Der Yaguarundi greift überhaupt den Menſchen nicht an, und ſeine Jagd iſt deshalb gefahrlos. Man ſchießt ihn entweder auf dem Anſtande oder fängt ihn in Fallen oder jagt ihn mit Hunden, denen er nur im äußerſten Notfalle ſi< widerſezt. Gewöhnlich ſucht er ſeinen Verfolgern in dichtem Unterwuthſe zu entſchlüpfen; kommen ſie aber zu nahe, ſo bäumt er auf oder ſpringt ſelbſt ins Waſſer und ſucht ſ{hwimmend ſich zu retten.
Nengger hat mehrere jung aufgezogene Yaguarundis in Gefangenſchaft gehalten. Sie wurden ſo zahm wie die ſanfteſte Hauskagze; ihre Raubſucht war aber doch zu groß, als daß unſer Gewährsmann ihnen hätte geſtatten können, frei im Hauſe umherzulaufen. Deshalb hielt er ſie in einem Käfig oder an einem Seile angebunden, welches ſie niemals zu zerbeißen verſuchten. Sie ließen ſi gern ſtreicheln, ſpielten mit der Hand, welche man ihnen darhielt, und äußerten durch ihr Entgegenkommen oder dur<h Sprünge ihre Freude, wenn man ihnen ſih näherte, zeigten jedo<h für niemand insbeſondere weder Anhänglichkeit no< Widerwillen. Sobald man ſie au< nur einen Augenbli> frei ließ, ſprangen ſie auf das Federvieh im Hofe los und fingen eine Henne oder eine Ente weg. Selbſt angebunden ſuchten ſie Geflügel zu erhaſchen, wenn ſolches in ihre Nähe kam, und verſte>ten ſih vorher liſtig zu dieſem Zwe>ke. Keine Züchtigung konnte ihnen ihre Raubſucht benehmen, nicht einmal ſie bewegen, einen ſhon gemachten Raub fahren zu laſſen. Au<h Kapplers Exfahrungen ſtimmen damit überein. Ganz jung eingefangen und mit Milch und Fleiſch aufgezogen, werden die Yaguarundis (von denen er glaubt, daß es wie beim Jaguar mehrere Spielarten gebe) ſehr zahm: „Jh hatte längere Zeit einen; er lief frei im Hauſe herum, ſpielte mit den Affen und der Hauskage und war gegen jedermann zutraulich. Leider war ihm niht abzugewöhnen, ſi< jeden Tag ein Huhn zu fangen, und da ih mi<h niht entſchließen konnte, das ſo zutrauliche Tier einzuſperren, gab ih es weg.“ Rengger hob