Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Taſchenſpringer. Gopher. 555

auf Stellen, welche ein wüſtenhaftes Gepräge zeigen und nur ſpärlih mit rieſenhaften, wunderbar geformten Kaktusarten beſetzt ſind. Aus der furzen Lebensſchilderung, welche Audubon gibt, geht hervor, daß es in ſeinem Weſen und Betragen vielfah mit den Wüſtenſpringmäuſen übereinſtimmt. Es erſcheint erſt mit der Dämmerung außerhalb ſeiner Höhle und trippelt dann regelmäßig zwiſchen den Steinen umher, den Menſchen weder kennend noh fürhtend. Fn ſeinem Wohngebiete bemerkt man außer den vielen Eidehſen und S@langen kaum ein lebendes Weſen weiter, fragt ſi daher mit Recht, wie es möglich iſt, daß ein Säugetier ſih ernähren kann. Höthſt wahrſcheinlih lebt der Taſchenſpringer ebenfalls von Samen, Wurzeln und Gräſern und fann, wie die meiſten Wüſtenſpringmäuſe, das Waſſer längere Zeit vollſtändig entbehren oder begnügt ſih mit den Tautröpfchen, welche ſih des Nachts auf einzelnen Pflanzen niederſchlagen. Über Fortpflanzung und Gefangenleben fehlen zur Zeit no< Beobachtungen.

Während die Taſchenſpringmäuſe den zierlichſten Nagern gleichen, erinnern die ver: wandten Taſchenratten (&eomyinae) an die plumpeſten Glieder der Ordnung. Der Leib iſt maſſig und unbeholfen, der Kopf ſehr groß, der Hals di> der Schwanz kurz; die niedrigen Beine haben fünſzehige Füße, die Vorderfüße außerordentli<h entwi>elte Krallen; der Pelz beſteht aus ſtraffen, ſteifen Grannen ohne Grundhaar. 20 Zähne, 1 mächtiger Schneidezahn und 4 wuxrzelloſe, länglihrunde Batenzähne mik einfacher Kaufläche in jedem Kiefer bilden das Gebiß. Der breite und kräftige, zwiſchen den Augenhöhlen eingezogene Schädel hat große Jochbogen und außerordentlih entwidelte Schläfenbeine; die Wirbelſäule wird außer den Halswirbeln aus 12 rippentragenden, 7 rippenloſen, 5 Kreuz- und 17 S<hwanzwirbeln zuſammengeſeßt; Schien- und Wadenbein ſind verwachſen.

Bei den Taſchenratten im engeren Sinne (Geomys) zeigen die oberen Scneidezähne eine Furche in der Mitte, und ſind die Ohren verkümmert. Von den vielen Arten, welche man neuerdings unterſchieden hat, mag uns die am beſten bekannte ein Bild der Unterfamilie geben.

Die Taſchenratte oder der Gopher, wie er im Lande ſelbſt heißt (Geomys bursarius, Mus, Cricetus, Saccophorus, Pseudostoma und Ascomys bursgarius, Mus saccatus, Ascomys und Geomys canadensis), iſt etwas Éleiner als unſer Hamſter, ſamt dem 65s cm langen Schwanze 35 cm lang, und ſteht hinſichtlih ſeiner Geſtalt etwa zwiſchen Hamſter und Maulwurf mitten inne. Der Pelz iſt ungemein dit, weich und fein. Die Haare ſind an ihrer Wurzel tief graublau, an ihren Spißen rötlich auf der Oberſeite und gelbgrau auf der Unterſeite; der Shwanz und die ſpärlich behaarten Füße haben weißliche Färbung. Der Name Gopher wird übrigens in einzelnen Gegenden auch verſchiedenen anderen Nagern beigelegt.

Die Tierkundigen, welche über den Gopher zuerſt berichteten, erhielten ihn von Fndianern, welche fih das Vergnügen gemacht hatten, beide Bacentaſchen mit Erde vollzupfropfen und dadurch ſo ungebührlih auszudehnen, daß die Taſchen beim Gehen des Tieres auf der Erde geſchleppt haben würden. Die künſtlich ausgedehnten Taſchen verſchafften dem Gopher ſeine Namen; die Ausſtopfer bemühten ſich na< Kräften, den Scherz der Jndianer nahzuahmen, und die Zeichner endlich hielten ſih nur zu treu an die ihnen zugänglichen Vorlagen. Dieſen Umſtänden haben wir es zuzuſchreiben, daß no< heutigestags die Abbildungen uns wahre Scheuſale von Tieren vorführen, wenn ſie uns mit der Taſchenratte bekannt machen wollen.