Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

560 Siebente Ordnung: Nager; neunte Familie: Stachelſhweine.

Die Unterfamilie der Erdſtachelſhweine (Hystrichinae) enthält die Arten, welche auf den Boden gebannt ſind. Sie unterſcheiden ſich von den übrigen durch die längeren und ſtärkeren Stacheln und die kräftigen Grabkrallen ſowie dadur<, daß ihre Bakenzähne erſt ſpäter Wurzeln bilden, welche länger ungeteilt bleiben und in tiefen Zahnhöhlen ſtehen. Die verſchiedenen Arten bewohnen die wärmeren Länder der Alten Welt.

Die eigentlichen Stachel\<weine (FWystrix) find an ihrem kurzen, gedrungenen Leibe, dem di>en, ſtumpfſhnäuzigen, auf ſtarkem Halſe ſißenden Kopfe, dem kurzen, mit hohlen, federſpulartigen Stacheln beſeßten Shwanze, den verhältnismäßig hohen Beinen, den fünfzehigen Vorderfüßen und dem außer allem Verhältniſſe entwidelten Stachelkleide leicht erkennbar. Bezeichnend für ſie ſind außerdem die kleinen, rundlichen Ohren, die breiten Oberlippen und die geſpaltenen Naſenlöcher. Das Stachelkleid bede>t hauptſächlich die lezten zwei Dritteile oder die Hinterhälfte des Leibes während der Vorderteil mit Haaren oder Borſten, meiſt mähnig, bekleidet iſt. Die Stacheln ſind die größten, welche überhaupt vorkommen; eine genaue Beſchreibung derſelben erſcheint mir aber unnötig, weil ſie ſo vielfache Verwendung finden, daß ſie wohl den meiſten meiner Leſer aus eigener Anſchauung bekannt ſein dürften.

Das Stachelſhwein (Hystrix cristata) übertrifft unſern Dachs an Größe, niht aber an Länge und erſcheint wegen ſeines Stachelkleides viel dier und umfangreicher, als es wirflih iſt. Seine Länge beträgt 65 cm, die des Shwanzes 11 em und die Höhe am Widerriſte 24 cm; das Gewicht ſ{hwankt zwiſchen 15—20 kg. Bloß an der kurzen, ſtumpfen Schnauze und an der Naſe ſißen einige Haare; die dide Oberlippe iſt mit mehreren Reihen glänzender ſ{hwarzer Schnurren bede>t, und ſolche Borſten ſtehen auh auf Warzen über und hinter dem Auge. Längs des Halſes erhebt ſih eine Mähne, welche aus ſtarken, nah rü>wärts gerichteten, ſehr langen, gebogenen Borſten gebildet wird und willkürlich aufgerichtet und zurü>gelegt werden kann. Dieſe Borſten ſind anſehnlich lang, dünn und biegſam, teils weiß, teils grau gefärbt und endigen meiſtens mit weißen Spißen. Die übrige Oberſeite des Leibes bede>en nebeneinander geſtellte, lange und kurze, glatte und ſcharf geſpißte, abwechſelnd dunïel- oder ſhwarzbraun und weiß gefärbte, loſe im Felle feſtſißende und deshalb leiht ausfallende Stacheln, zwiſchen denen überall borſtige Haare ſih einmengen. An den Seiten des Leibes auf den Schultern und in der Kreuzgegend ſind die Stacheln kürzer und ſtumpfer als auf der Mitte des Nückens, wo ſie auh in ſcharfe Spißen enden, Die dünnen, biegſamen erreichen eine Länge von 40 em, die kurzen und ſtarken dagegen werden nur 15—80 cm lang, aber bis 0,5 cm di>. Alle ſind im Jnneren hohl oder mit ſ{wammigem Marke angefüllt, Wurzel und Spie meiſtens weiß gefärbt. Die kürzeren Stacheln ſind ſ{warzbraun und geringelt, aber an der Wurzel und Spitze ebenfalls meiſtens weiß. An der Schwanzſpitze ſtehen verſchieden gebildete Stacheln von etwa 5 cm Länge, aber faſt 7 mm Dice. Sie beſtehen aus abgeſtußten, dünnwandigen, am Ende offenen Nöhren und gleichen angeſchnittenen Federkielen, ihre Wurzeln dagegen aus langen, dünnen und biegſamen Stielen. Alle Stacheln können mittels eines großen, kräftigen Muskels, welcher ſi< unter der Haut des Tieres ausbreitet und einer ſtarken Zuſammenziehung fähig ift, willkürlih aufgerichtet und zurückgelegt werden. Die Unterſeite des Leibes iſt mit dunkelbraunen, rötlich geſpißten Haaren bede>t; um die Kehle zieht ſich ein weißes Band. Die Krallen ſind dunkel hornfarbig, die Augen ſhwarz. Die in Europa hauſenden Stachelſchweine ſollen aus Nordafrika ſtammen und erſt durch die Römer übergeführt worden ſein. Gegenwärtig findet man das Tier längs der Küſte des Mittelmeeres, zumal in Algerien, Tripolis, Tunis, bis Senegambien und den Sudan. Jn Europa lebt es häufig in