Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Chinchilla: Allgemeines. 609

gegeben. Doch unterſcheidet ſie von den Haſen ſcharf und beſtimmt das Gebiß. Die Ba>kenzähne ſind wurzellos, zeigen 2—3 gleihlaufende Schmelzblätter, und die Reihen nähern ſi vorn einander. Die Wirbelſäule beſteht aus 12 Nippen-, 8 Lenden-, 2 Kreuz- und 20 Schwanzwirbeln. Der feinſte Pelz, welhen Säugetiere überhaupt tragen, de>t ihren Leib. Seine Färbung iſt ein lihtes Grau mit Weiß und Shwarzbraun oder Gelb.

Alle Chinchillen bewohnen Südamerika und zwar größtenteils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwiſchen den kahlen Felſen unter der Schneegrenze; nur eine Art findet ſich in der Ebene. Natürliche Höhlen oder von den Tieren eigens gegrabene Gänge bilden ihre Wohnſize. Alle ſind geſellig, manche bewohnen familienweiſe eine und dieſelbe Höhle. Wie die Haſen dem Lichte abhold, zeigen ſie ſi<h am meiſten in der Dämmerung oder in der Nacht. Sie ſind ſchnelle, lebhafte, behende, ſheue und furchtſame Tiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb Mäuſe. Das Gehör ſcheint der entwieltſte Sinn zu ſein. Jhr Verſtand iſt gering. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, au< wohl Früchte bilden ihre Nahrung. Jhre Vermehrung iſt ungefähr ebenſo groß wie die der Haſen. Sie ertragen die Gefangenſchaft leiht und erfreuen durch Reinlichkeit und Zahmheit. Manche Arten rihten Schaden an oder werden wenigſtens dem Menſchen durch das Unterwühlen des Bodens läſtig, alle aber nüßen dur< ihr Fleiſh und Fell.

Die Chinchillas (Eriomys), welche die erſte Gattung bilden, zeichnen ſih dur di>en Kopf, breite, gerundete Ohren, fünfzehige Vorder-, vierzehige Hinterfüße und den langen, außerordentlih weichen und ſeidenhaarigen Pelz vor ihren Verwandten aus. Die Baenzähne ſind aus drei Shmelzblättern gebildet. Man kennt bloß zwei Arten dieſer Tiere, die Chinchilla (Eriomys chinchilla, TLagostomus laniger, Chinchilla brevicaudata) und die Wollmaus (Eriomys lanigera, Mus, Cricetus und Callomys laniger). Erſtere wird 30 cm lang und trägt einen 13 cm, mit den Haaren aber 20 cm langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz iſt auf dem Rücken und an den Seiten mehr als 2 cm lang; die Haare ſind an der Wurzel tief blaugrau, ſodann breit weiß geringelt und an der Spize dunkelgrau. Hierdur< erſcheint die allgemeine Färbung ſilberfarben, dunkel angeflogen. Die Unterſeite und die Füße ſind reinweiß; der Schwanz hat oben zwei dunkle Binden; die Schnurren ſehen an ihrer Wurzel ſ{warzbraun, an der Spitze graubraun aus. Die großen Augen ſind ſ{hwarz.

Schon zur Zeit der Jnka verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chinhilla zu Tuchen und ähnlichen ſehr geſuchten Stoffen, und die alten Schriftſteller, wie Acoſta und Molina, geben ziemlih ausführliche, wenn auch nicht eben getreue Schilderungen des wichtigen Tieres. Jm vorigen Fahrhundert erhielt man die erſten Pelze als große Selten» heiten über Spanien; jegt ſind ſie zu einem gewöhnlichen Handelsartikel geworden. Die Pelz» händler kannten weit früher als die Tierkundigen zwei Arten: ete Chinchillas und BaſtardChinchillas; aber leßtere konnten anfangs nichts Sicheres feſtſtellen, weil alle Pelze, welche famen, unvollſtändig waren und die wichtigſten Unterſcheidungsmerkmale des Tieres, den Schädel mit ſeinem Gebiſſe und die Füße mit ihren Zehen, niht zur Anſchauung brachten. So vermochte erſt im Fahre 1829 Bennett Ausführlicheres über das Tier zu berichten, nachdem er es ſi lebend verſchafft und es in England längere Zeit beobachtet hatte. Aber noh immer iſt die Naturgeſchichte der Chinchilla in vielen Punkten ſehr dunkel.

Der Reiſende, welcher von der weſtlichen Küſte Südamerikas die Kordilleren emporflimmt, gewahrt, wenn er einmal eine Höhe von 2—3000 m erreicht hat, oft meilenweit

alle Felſen von dieſer Chinchilla und zwei Arten einer anderen Gattung der nämlichen Brehm, Ticrleben, 3. Auflage. Il. 39