Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Acte Ordnung. Die Zahnarmen (Edentata).

Die Blütezeit der Säugetiere, welche die zu \childernde Ordnung bilden, iſ vorüber. Jn der Vorzeit lebten in Braſilien Zahnarme von der Größe eines Nashorns und darüber; heutzutage kommen die größten lebenden Mitglieder der Ordnung höchſtens einem ſtarken Wolfe an Größe gleich. Unter den ausgeſtorbenen Arten befanden ſi Bindeglieder zwiſchen den no< vertretenen Familien; gegenwärtig ſcheinen dieſe dur eine weite Kluft getrennt zu ſein. Und wie jenen, naht auch einzelnen von den noh lebenden Arten das Verhängnis, vernichtet zu werden: ihre Tage ſind gezählt.

Von der Übereinſtimmung anderer Ordnungen iſt bei den Zahnarmen wenig zu bemerken. Die auffallende Gebißbildung, welche bei allen hierher zu re<hnenden Tieren ſich geltend macht, bleibt no<h das wichtigſte Kennzeichen, welches ſie vor den übrigen Säugeru auszei<hnet. Man findet unter den Zahnarmen Säuger, auf welche der Name in ſeiner vollen Bedeutung paßt, da ſie au< niht eine Spur von Zähnen zeigen, und alle übrigen, welche wirkli<h (und zuweilen eine ſehr große Anzahl) Zähne haben, entbehren doh wenigſtens der vorderen Schneidezähne, und die übrigen Zähne, welche wir Schneidezähne nennen müſſen, weil ſie üm Zwiſchenkiefer ſtehen, ſtimmen in Geſtalt und Bildung ſo vollfommen mit den Ba>tenzähnen überein, daß wir den Ausdru> doch nicht in voller Gültigfeit brauchen können. Die Eczähne, welche äußerſt ſelten vorhanden ſind, unterſcheiden ſi< ebenfalls dur< nihts weiter als dur ihre bedeutende Länge von den Ba>kenzähnen, und dieſe ſelbſt haben einfache cylindriſche oder prismatiſche Geſtalt und ſind dur< Lücken voneinander getrennt. Sie beſtehen durhweg bloß aus Zahnſtoff und Zement, meiſtens ohne allen Schmelz, werden gewöhnlich nur einmal erzeugt und nur bei wenigen Arten gewe<ſelt ; bei den Erdferkeln vereinigen ſi<h ſogar mehrere zu einem zuſammengeſeßten Zahne. Das untere Ende der Zähne, mit Ausnahme der nurx bei einer Gattung vorhandenen Milchzähne, iſt nicht wuxzelartig geſchloſſen, ſondern wird von einer Höhle eingenommen, in welcher ſih eine das Nachwachſen vermittelnde Maſſe befindet. Die Anzahl der Zähne, falls ſolche überhaupt vorhanden ſind, ändert nicht allein bei den Familien, ſondern auch bei den verſchiedenen Arten einer Hauptgruppe erhebli ab; einige haben nur 20, andere gegen 100 Zähne.

Jm Gegenſaße zu dem Gebiſſe ſind bei unſeren Tieren die Nägel in eigentümlicher Weiſe entwidelt. Selten haben die Zehen vollkommene Bewegung, aber immer tragen ſie Nägel, welche das Ende ganz umfaſſen und ſich ſchon aus dieſem Grunde weſentlih von eigentlichen Krallen unterſcheiden. Sie ſind entweder von bedeutender Länge, ſtark gekrümmt und ſeitlich zuſammengedrü>t oder kürzer, breit, faſt ſhaufelförmig, in jenem Falle geeignet zum Klettern, in diejem zum Graben und Schaxrren.

41*