Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

642 Siebente Ordnung: Nag erz; dreizehnte Familie: Haſen.

Gegenſtand des Schhre>ens ſi< entfernt hat, ſofort wieder auf der alten Stelle. Radde nennt die Pfeifhaſen thätige, friedliche und ſehr fleißige Nager, welche große Vorräte von Heu ſammeln, in regelre<hter Weiſe ſtapeln und zuweilen mit breitblätterigen Pflanzen zude>en, um ſie vor dem Regen zu ſhüßzen. Die Dgotona beginnt ſ{<hon Mitte Funi für den Winter zu ſammeln und iſt zu Ende des Monats damit aufs eifrigſte beſchäftigt. Fn der Wahl der Kräuter zeigt ſie ſih niht ſehr umſtändlih: ſie nimmt da, wo ſie niht geſtört wird, gern die ſaftigſten Gräſer an, begnügt ſi<h aber an Orten, wo mutwillige Knaben ihre Vorräte zerſtören oder das weidende Vieh ſie auffrißt, mit Gräſern und anderen Pflanzen, welche ſonſt von den Tieren verſhmäht werden. Die von ihr zuſammengetragenen Heuhaufen erreihen 12—18 cm Höhe und 15—30 cm Durchmeſſer; wenn die Felſen zerklüftet ſind, werden die Rigen als Scheunen benußt. Zu dem Baue führen ſhmale Pfade, welche die Pfeifhaſen ausgetreten haben, und zu deren beiden Seiten ſie die kurzen Gräſer abweiden. Stört man die fleißigen Sammler in ihrer Arbeit, ſo beginnen ſie dieſe bald wieder aufs neue, und manhmal ſ{leppen ſie no< im September die bereits vergilbten Steppenpflanzen zuſammen. Wenn der Winter eintritt, ziehen ſie vor ihren Höhlen Laufgräben unter dem Schnee bis zu den Heuſchobern; dieſe Gänge ſind mannigfa<h gekrümmt und gewunden, und jeder einzelne hat ſein Luftloch.

Alle Pfeifhaſen trinken wenig. Jm Sommer haben ſie allerdings oft Regenwaſſer, im Winter Schnee zu ihrer Verfügung; im Laufe des Frühlings und Herbſtes aber, um welche Zeit in der mongoliſchen Hochebene oft monatelang feine Niederſchläge ſtattfinden und die Trockenheit der Luft die äußerſte Grenze erreicht, fehlt ihnen ſogar der Nachttau zu ihrer Erqui>ung, und denno< ſcheinen ſie nichts zu entbehren. Der Schrei des Alpenpfeifhaſen, welchen man no< um Mitternacht vernimmt, ähnelt dem Rufe unſeres Buntſpehtes und wird, ſelten häufiger als dreimal, raſh hintereinander wiederholt. Die Ogotona pfeift nah Art der Mäuſe, aber lauter und heller und ſo oft hintereinander, daß ihr Ruf wie ein ſ\crillender, ziſchender Triller klingt. Eine dritte Art, der Zwergpſeifhaſe (Lagomys pusillus), foll einen Ruf ausſtoßen, welcher dem Schlage unſerer Wachtel täuſchend ähnlich iſt. Zu Anfang des Sommers wirft das Weibchen, laut Pallas, gegen ſehs na>te Junge und pflegt ſie ſorgfältig.

Leider haben die Tierchen viele Feinde. Sie werden zwar von den Jägern Oſtſibiriens niht verfolgt, aber fortwährend von Manul, Wolf, Korſak, von verſchiedenen Adlern und Falken befehdet und ziehen im Winter die Schnee-Cule, ihren gefährlichſten Gegner, geradezu herbei. „Die Geſchiklichkeit“/ ſagt Prſhewalski, „welche die gefiederten Räuber bei ihrer Jagd auf Pfeifhaſen bethätigen, iſt erſtaunlih. Jc ſah oft, wie Buſſarde von oben herab mit ſolcher Schnelle auf Ogotonen ſtießen, daß dieſen niht Zeit blieb, ſih in ihre Höhle zu du>en. Einmal führte auch ein Adler vor unſeren Augen ein ſolches Kunſtſtü>k aus, indem er ſih aus einer Höhe von mindeſtens 60 m auf einen vor ſeiner Höhle ſißenden Pfeifhaſen ſtürzte und ihn erhob.“ Die Buſſarde nähren ſi<h ſo ausſ{hließli<h von Ogotonen, daß ſie ſogar ihre Winterherberge nur der Pfeifhaſen halber in der Gobi nehmen. Aber auh der Menſch ſchädigt die harmloſen Nager, weil er die mühevoll geſammelten Vorräte raubt. Fn ſhneereihen Wintern treiben die Mongolen ihre Schafe in ſolhe Gegenden, wo viele Ogotonen leben, oder füttern ihre Pferde mit dem von dieſen geſtapelten Heue.