Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 253

Mähnenſchaf: Jagd. Zähmbarkeit. Fortpflanzung. 219

Jn neuerer Zeit iſt das Mähnenſchaf öfters lebend nah Europa gekommen und in Tiergärten keine Seltenheit mehr. Über ſein Gefangenleben läßt ſih wenig ſagen, weil das Tier, abgeſehen von ſeiner Kletterfertigkeit, hervorragende Eigenſchaften niht bekundet. Unſerem Hausſchafe gegenüber zeigt es allerdings eine gewiſſe Selbſtändigkeit und Eigenwilligkeit iſt auch leibli<h weit beweglicher und übertrifft ſelbſt eines, das im Gebirge groß geworden iſt. Dieſe leibliche Beweglichkeit darf jedo<h nicht zu falſhen Schlüſſen auf das geiſtige Weſen verlo>en: denn das Mähnenſchaf iſt ebenſo dumm und beſchränkt, ebenſo halsſtarrig oder eigenſinnig, ebenſo ſcheu und fur<htſam wie das Hausſchaf, läßt ſi<h daher ſhwer behandeln und zähmen und erweiſt ſi<h keine8wegs immer ſo gutartig, wie es nah vorſtehender Schilderung Buvrys ſcheinen möchte. Seinen Wärter lernt es kaum von anderen Menſchen unterſcheiden, ihn wenigſtens niht als Pfleger und Freund, ſondern höchſtens als einen ihm willigen Diener erkennen, welcher regelmäßig Futter bringt; in ein wirkliches Freundſchaftsverhältnis zu ihm tritt es niht. Solange es jung iſt, flieht es den täglich geſehenen Mann wie alle anderen Menſchen, im Alter ſtellt es ſi troßig und ſtörriſch zur Wehr. Ein gewiſſer Ernſt, welchen man faſt Murrſinn nennen könnte, zeichnet es aus; das ne>iſhe Weſen der Ziegen fehlt ihm vollſtändig. Es kann wegen einer Kleinigkeit in Zorn, wegen einer Geringfügigkeit in Wut geraten und pflegt dann in beiden Fällen zu beweiſen, daß es ſi ſeiner Stärke wohl bewußt iſt. Fhm auffallende oder gefährlich ſcheinende Tiere, z. B. Hunde, fürchtet es und rennt bei ihrem Erſcheinen mit der allen Schafen eigenen Sinnloſigkeit wie toll gegen die Gitterwände an; mit ihm nahe ſtehenden Verwandten, Ziegen und Schafen, Steinbö>en oder Mufflons, verträgt es ſih zwar zuweilen, ſelten jedoch längere Zeit: denn ſobald es, mindeſtens der Bo, in ihnen einen ihm ebenbürtigen Genoſſen ertennt, kämpft es ebenſo wie mit anderen Böen ſeiner Art beharrlih, ernſt und ausdauernd, falls die Liebe ins Spiel kommt, thatſählih auf Leben und Tod, da es unter Umſtänden nicht cher ruht, als bis einer der Kämpen leblos auf dem Plate bleibt. Die Brunſt erhöht auch ſeine unliebenswürdigen Eigenſchaften, namentlih ſeine Rauf- und Stoßluſt, in beſonderem Grade und macht den Bok ſogar zuweilen weiblichen Tieren der eigenen Art gefährlih. Nach alledem kann man das Mähnenſchaf nicht als einen angenehmen Gefangenen bezeihnen: dur ſeine Größe, ſeine Geſtalt und die eigentümliche Haarmähne macht es einen gewiſſen Eindru> auf den Beobachter, iſt aber wenig geeignet, dieſen länger zu feſſeln.

Eiwa 160 Tage nach der Paarung, manchmal 1 oder 2 Tage früher, oder 2—8 Tage ſpäter, bringt das Mähnenſchaf 1 oder 2 Lämmer zur Welt, kleine, niedliche und bereits nah wenigen Stunden höchſt bewegliche, au< ſehr muntere Tierchen, welche wegen ihrer Kletterluſt mehr an Zi>lein als an Hauslämmer erinnern. Erſt 24 Stunden alt, beſteigen ſie bereits alle Höhen, welche ſi in ihrem Gehege finden, mit exſichtlihem Vergnügen, und wenn ſie ihr Leben erſt auf 2 oder 3 Tage gebracht haben, legen ſie eine Behendigkeit und Gewandtheit an den Tag, daß man wohl einſieht, wie {hwer es halten mag, ſie im Freien zu fangen. Allgemach gehen die erſten kindiſhen Sprünge in ſpielendes Necen über. Die Mutter folgt allen Bewegungen ihrer Sprößlinge mit etwas weniger Gleichmut, als wir bei den Schafen zu ſehen gewohnt ſind, ſteigt auh wohl dann und wann den übermütigen Kleinen nach oder lo>t ſie dur ein blökendes Mahnen zu ſi< heran, worauf beide faſt gleichzeitig das Euter zu verlangen pflegen und, nah Art der Hauslämmer und Zi>lein ſaugend, dur heftige Stöße gegen das Euter möglichſt viel Milch zu gewinnen ſtreben. Bei günſtiger Witterung wachſen ſie raſh heran, beginnen etwa vom achten Tage ab einzelne Hälmchen aufzunehmen, freſſen, einen Monat alt geworden, bereits von allem Futter, welches der Alten gereiht wird, ſaugen jedo<h no< immer und entwöhnen ſi erſt gegen die Paarungszeit hin, oder richtiger, werden von der Alten nicht mehr zugelaſſen.