Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3, S. 272
238 Elſte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.
zeigen, entweder der einen oder der anderen Raſſe glichen. Ebenſo wurde im Fahre 1828 ein Merinowidderlamm geboren, welches ſich durch ſeine lange, glatte, ſ{<lihte, ſeidenartige mit einem Worte vorzügliche Wolle auszeihnete. Bis zum Jahre 1833 hatte der Beſißer Graux ſo viele Widder erzogen, daß er ſeine ganze Herde nah und na< umändern konnte und wenige Jahre ſpäter im ſtande wax, von ſeiner neuen Zuchtraſſe zu verkaufen. Der erſte Widder und ſeine unmittelbaren Nachkommen waren kleine Tiere mit großem Kopfe, langem Halſe, ſ<hmaler Bruſt und langen Seiten; dieſer Fehler aber wurde dur forgfältige Kreuzungen und Zuchtwahl beſeitigt. „Läge“/ ſo ſchließt Darwin, „der Urſprung dieſer beiden Raſſen 1 oder 2 Jahrhunderte zurü>, ſo würden wir keinen Nachweis über deren Geburt haben, und viele Naturforſcher behaupten ohne Zweifel, daß jede Form von einer unbekannten Stammform herrühre oder mit ihr gekreuzt worden ſei.“
Nach Vorſtehendem erſcheint die Anſicht gere<htfertigt zu ſein, daß auch die verſchiedenen Schafraſſen nihts anderes ſind als ein Kunſterzeugnis des Menſchen, veränderlich in Geſtalt und Größe, Gehörnbildung und Vließ, Lebensart, Betragen und allen ſonſtigen Eigenſchaften. Eine eingehende Beſchreibung und Vergleichung aller mit mehr oder minder Recht unterſchiedenen und beſchriebenen Raſſen gehört niht in den Rahmen unſeres Werkes.
Als das wichtigſte und gewinnbringendſte aller Hausſchafe gilt gegenwärtig das Merinoſ<haf (Oÿis aries hispanica), welhes nahweisli< in Spanien das ihm eigentümlihe Gepräge erlangt hat und na<h und nah zur Veredelung faſt aller europäiſchen Raſſen benußt worden iſt. Mittelgroß und voll gebaut, zeihnet es ſi< aus durch feinen großen, plattſtirnigen, längs des Naſenrü>ens gewölbten, an der Schnauze abgeſtumpſften Kopf, mit kleinen Augen und großen Thränengruben, mittellangen, ſhmal zugeſvißten Dhren, ſtarken, von der Wurzel an ſeitlih und rü>wärts gebogenen und dann in Doppelſchraubenwindungen nah vorn und aufwärts weiter gewendeten Hörnern, welche in der Regel nur heim Boke vorkommen, den kurzen und dien, ſtark gefalteten, unten gewammten, an der Kehle kropfartig ausgebauchten Hals, die verhältnismäßig niedrigen, aber ſtarken und kräftigen Beine und ſtumpf zugeſpißten Hufe ſowie ein äußerſt dichtes, aus kurzer, weicher und feiner, höchſt regelmäßig gekräuſelter Wolle beſtehendes Vließ.
Um über dieſes Tier und den gegenwärtigen Stand ſeiner Zucht in Spanien mich zu unterrihten, habe ih mi< dur Vermittelung meines Bruders an den Schriftführer des Vereins der Schafzüchter Spaniens, Herrn Miguel Lopez Martinez, gewandt und von dieſem das Nachſtehende erfahren: „Jn Spanien unterſcheidet man drei Hauptraſſen von Schafen: die Entrefina oder Mittelfeinen, die zahlreichſte, die Churra, eine minder zahl: reiche, und die Merino, die edelſte von allen, welche gegenwärtig aber in beklagenswerter Weiſe ſih vermindert. Viele Ausländer haben geglaubt, daß die Merinoraſſe die einzige wäre, welche in Spanien vorhanden geweſen und no< vorhanden fei, und es unterliegt auch feinem Zweifel, daß ſie jahrhundertelang diejenige war, welche unſeren Schafen den größten Ruf verſchafft hat; verſchiedene Urſachen aber, unter denen ih bloß die hauptfächlihſten hervorheben will, haben mähtigen Einfluß gehabt, daß ſie ſih alljährlih mehr vermindert und durch die be.den anderen oben genannten erſeßt wird. Als die wirkſamſten Urſachen müſſen wix unſere verfaſſung3mäßigen Zuſtände betrachten. Die Zucht der Merinoherden begründete ſih auf die ſogenannte Sommerweide, welche durch eine beſondere Geſeßgebung, die Meſta, geſüßt wurde. Unter Meſta verſtand man eine Vereinigung von Vorrechten, welche dem Ackerbaue ebenſo hinderlich als der Sommerweide förderlich waren. Dieſen zufolge durften die Hirten unterwegs nah Belieben auf jedwedem Beſißtume weiden und die betreffenden Eigentümer nur nah erlangter königlicher Erlaubnis ſie von ihrem Grund und Boden verweiſen, ſo daß, dem Geiſte dieſer Geſeßgebung nach, die Rechte der