Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

78 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

ſah“, bemerkt ſhon Graf Gourcy, „mehrere, welche ihren Herrn, wenn er nah Hauſe kam, zu jeder Stunde des Tages oder der Nacht anpfiffen und niht eher aufhörten, als bis das Licht ausgelöſht wurde. Fn dieſem Falle wiederholen ſie aber immer und zwar fehr oft uur ein paar Strophen eines gelernten Liedes und laſſen gar nichts von ihrem angeborenen Geſange hören, glei<hſam als glaubten ſie dur< das vom Menſchen Erlernte mit ihm ſpreGen und ſi< ihm verſtändlih machen zu können. Ff aber niemand im Zimmer, dann ertönt gewöhnlich anſtatt des erlernten Geſanges der natürliche.“ Bei ſorgſamer Pflege \<reiten ſie auh zur Fortpflanzung im Käfige oder bemuttern fremder Vögel Kinder, bethätigen hier überhaupt ſo trefflihe und verſchiedenartige Eigenſchaften, daß man ſie als die auzgezeichnetſten Stubenvögel welche Europa liefert, bezeihnen darf.

Die Blaumerle oder Blaudroſſel, Blau- oder Gebirgs8amſel, Blauvogel, Einſiedler, einſamer Spaß 2c. (Monticola cyanus und cyanea, Turdus cyanus und solitarius, Sylvia solitaria, Petrocincla cyanea und longirostris, Petrocossyphus cyanenus), iſt etwas größer als der Steinrötel: die Länge beträgt 23—25, die Breite 37, die Fittihlänge 12, die Shwanzlänge 9 cm. Das Gefieder des Männchens iſt gleichmäßig ſchieferblau; die mattſhwarzen Schwingen und Steuerfedern ſind blau geſäumt. Beim Weibchen herrſ<ht Blaugrau vor; die Kehle iſt liht roſtbräunlih gefle>t und jeder Fle>en \{<warzbraun umſäumt; die übrige Unterſeite zeigt dunkelbraune Mondfle>en und bräunlihweiße Federkanten; die Shwingen und Steuerfedern ſind dunkelbraun. Die Neſtjungen ähneln dem Weibchen, unterſcheiden ſi< aber dur<h lihtbräunlihe Tropfenfle>e1 auf der Oberſeite. Nach der Mauſer ſind auh beim Männchen alle Federn gerandet; die Ränder ſchleifen ſih jedo<h bald ab, und das Gefieder erhält dann ſeine volle Schönheit. Das Auge iſt braun, der Shnabel und die Füße ſind {hwarz.

Ganz Südeuropa, Nordafrika und ein großer Teil Mittelaſiens bis Mittelhina und zum weſtlihen Himalaja ſind die Heimat der Blaumerle. Fn den ſüdlihen Kronländern Öſterreih-Ungarns, namentlich in Dalmatien, Fſtrien, Kroatien und Südtirol, hier beſonders in der Etſchklauſe und am Gardaſee, kommt ſie, laut von Tſchuſi, häufig, in Siebenbürgen und Krain ſeltener als Brutvogel, in Kärnten als Strichvogel vor; wie ih von Tals fy erfahre, brütet ſie ausnahmsweiſe aber au<h mit dem Steinrötel auf dem Kotuſch, einen! 500 m hohen Kalkfelſen in der Nähe von Stramberg im Nordoſten Mährens. Fn Deutſchland iſt ſie, wenn überhaupt, wohl nur im bayriſhen Hochgebirge als Strichvogel beobachtet worden. Häufig tritt ſie in Griechenland, Jtalien, Südfrankreih und Spanien auf, ebenſo in Paläſtina, Ägypten bis Abeſſinien und den Atlasländern. Während des Winters erſcheint ſie regelmäßig in Fndien|, obgleih man ſie niht eigentlih als Zugvogel betrachten darf; denn ſchon in Südeuropa begegnet man ihr jahraus jahrein auf denſelben Stand orten, höchſtens mit dem Unterſchiede, daß ſie im Winter ſonnige Gehänge bevorzugt.

Jn ihrem Weſen und Betragen ähnelt ſie dem Steinrötel ſehr, unterſcheidet ſih aber doh in mancher Hinſicht. Mehr als der lebtgenannte liebt ſie die Einöde, Felswände und enge Gebirgsſ<luten, denen der Baumſchlag mangelt, beſonders felſige Flußthäler. Regelmäßig beſucht ſie Ortſchaften und treibt ſich hier auf Türmen, Wallmauern und hochgelegenen Dachfirſten oder in Ägypten auf Tempeltrümmern umher. Nichtsdeſtoweniger trägt ſic den Namen „Einſiedler“ mit vollem Rechte. Sie lebt ſtets für ſih, befreundet ſich nie mit den Menſchen und bewahrt ſih au< dann, wenn ſie in die Ortſchaften kommt, ihre Selbſtändigfeit, vereinigt ſih niht einmal mit ihresgleichen in derſelben innigen Weiſe wie andere Vdgel. Nur während der Brutzeit ſicht man das Paar unzertrennlih zuſammen und kurz nah= her die Familie geſellt; ſhon gegen den Herbſt hin aber trennen ſi die Glieder eines derartigen Verbandes, und jeder einzelne geht ſeinen eignen Weg. Doch will ih bemerken,