Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Wacholder- und Ringdroſſel. 89

Waldungen Oſt- und Weſtpreußens aufgeführt, und das iſt er wahrſcheinlich ſeit der Eiszeit auh immer geweſen; 1854 beobahtete man ihn niſtend in Pommern und Berlin, 1850 in der Lauſib. Seit 1852 aber iſt ſein Vorkommen in Thüringen ſchon feſtgeſtellt, 1848 findet er ſi im Oſten dieſes Landes bei Shmölln, 5 Fahre ſpäter bei Zeulenroda im Süden, und er hat ſih ſeitdem niht nur im ganzen Lande bedeutend vermehrt, er iſt auh noc weiter nah Süden, bis Gunzenhauſen in Mittelfranken, vorgedrungen. Es hat aber den Anſchein, als ob der Vogel au< von Südoſten, vielleiht von den Karpathen her, einwandert, wenigſtens wird er 1855 in der Elbniederung bei Pardubiß, 1871 bei Brandies und Königgräß und in demſelben Fahre an der Moldau und im Böhmerwalde beobachtet; an der leßteren Örtlichkeit kann er indeſſen re<ht gut aus früherer Zeit übriggeblieben ſein und hier gebrütet haben. Die Urſachen des Vorrückens eines Vogels von Nordoſten nah Südweſten und wohl auch das Herabſteigen von den Bergen ins Thal, wie es bei dem Krammetsvogel ſeit 80 Jahren ſtattfindet, ſind niht ret klar: es iſt kaum anzunehmen, daß die Lebensbedingungen, die Mitteldeutſhland heutigestags bietet, dem Tiere beſſer zuſagen ſollten als jene, die ebenda vor 100 Jahren herrſchten; zu Bechſteins Zeit brütete der Vogel in Thüringen ſicher niht, wo ex jeßt häufig iſt. Es wäre möglich, daß in dem Weſen des Vogels eine Veränderung vor ſih gegangen wäre, daß er anfängt, ſi< beſſer anzupaſſen und in neue Verhältniſſe zu ſhi>en.“ Nachdem unſer Gewährsmann darauf hingewieſen, wie dies in verhältnismäßig kurzer Zeit ſehr auffällig mit der Amſel geſchehen iſt, fährt er fort: „So vollziehen ſih tagtäglich in der Tierwelt, die uns umgibt, Veränderungen, aber meiſt ſo geringen Umfanges, daß ſie unſerer Aufmerkſamkeit entgehen. Aber in einer gewiſſen Zeit muß die Summe aller dieſer wenn im einzelnen auh noh ſo kleinen Veränderungen \<ließlih doch eine beträchtliche werden, und Forſcher kommender Geſchlehter werden, wenn ſie dieſe Thatſache überſehen, lciht dazu gelangen, unſere heutigen Beobachtungen für ungenau und falſch zu halten.“

Auf Hochgebixgen lebt die Ringdroſſel oder Ringamſel, Schild- und Noſtdrofſel, Dianen-, Erd-, Strauch-, Berg-, Meer- und Seeamſel, Sto>- und Stabziemer (Turdus torquatus, Merula torquata, montana, collaris, maculata und vociferans, Sylyia torquata, Copsichus torquatus, Abbildung S. 82). Jhre Länge beträgt 26, die Breite 42, die Fittihlänge 14, die Shwanzlänge 11 em. Das Gefieder des Männchens iſt bis auf ein breites, halbmondförmiges, weißes Bruſtband auf mattſhwarzem Grunde mit lihten halbmondförmigen Flecken gezeichnet, welche dur die Federränder gebildet werden, die Schwingen und Flügelde>federn ſind gräulich überlaufen und bräunlihgrau geſäumt, die Schwanzfedern einfarbig rußſchwarz, die beiden äußerſten durch ein ſ{hmales, feines, weißgraues Säumchen geziert. Das Weibchen iſt düſterfarbiger, infolge der breiteren Federſäume mehr gräulich, das Bruſtband auc nur angedeutet und nicht weiß, ſondern {mutig grau. Das Jugendkleid erinnert an die Tracht der Wacholderdroſſel, iſt aber dunkler, wie verräuchert; die Federn der Oberſeite ſind tiefbraun, lichter gerandet und teilweiſe mit weißlih roſtgelben Schaftfle>en geziert, Kehle und Gurgel licht roſtgelb, ſeitlich dunkler in die Länge gefle>t, die Bruſt auf roſtfarbenem Grunde mit runden, die übrigen Unterteile auf liht graugelbem Grunde mit halbmondförmigen Fle>en beſet. Das Auge iſt braun, Der Schnabel ſ{<warz, der Unterkiefer am Grunde aber rotgelb, der Fuß ſ{warzbraun.

Die Ringamſel iſ nur Gebirgsvogel und findet ſich deshalb am häufigſten in unſeren Hochgebirgen, ſeltener ſhon im Mittelgebirge. Jn Skandinavien iſt ſie ebenſo gemein wie in der Schweiz; auf den bayriſchen Alpen, Vogeſen, dem Shwarzwalde und dem Rieſen gebirge iſt ſie nicht ſelten, auf den Öſterreichiſhen und Siebenbürgiſchen Alpen, den Karpathen, dem Kaukaſus und Ural, den Pyrenäen und der Sierra Nevada ebenfalls Brutvogel.

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