Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Amſel: Verbreitung. Veränderte Lebensweiſe. 85

Lüſternheit nah Fleiſh durch das Verſchlingen junger, beſonders no< na>ter kleiner Singvögel zu befriedigen.“ Aber derartige Neſträubereien werden doch nur einzelnen entarteten Stücfen und niht dem ganzen Geſchlechte zur Laſt gelegt werden können. Ebenſowenig iſt zu erweiſen, daß die Amſeln, wo ſie ſi zahlreich einbürgern, die kleineren Singvögel verdrängen. Wo das Futter knapp iſt, mögen allerdings die Stärkeren den Shwächeren nicht viel zum Leben übriglaſſen und ſie hierdur<h mittelbar unheimiſh machen; das Wegbleiben der kleineren Sänger von manchen Örtlichkeiten kann aber auh dur ganz andere, uns teilweiſe no< unbekannte Urſachen bewirkt werden. Den Schwarzdroſſeln die Schuld aufzubürden, bloß weil ſie bleiben oder ſih vermehren, oder weil hier und da einzelne Stücke als Übelthäter ertappt wurden, wäre doch zu weit gegangen; zudem ergibt ſich aus zahlreichen Beobachtungen, wie vortrefflih Amſeln und kleinere Sänger allenthalben nebeneinander gedeihen. Daß z. B. nicht erſt jene dur ihre Einbürgerung die Nathtigall aus manchen Gegenden Thüringens verdrängten, haben die Unterſuchungen Liebes dargethan; und, unr wenigſténs eine Thatſache auch hierfür anzugeben, in Hildesheim haben beide, laut Michelſen, Jahrzehnte friedlih bei einander gehauſt. Jn Jena, wo es freilih feine Nachtigallen gibt, haben ſi doc in den von Pehuel-Loeſche und ſeinen Nachbarn überwachten Gärten ſeit einer Reihe von Jahren nicht bloß die Amſeln, ſondern auch die kleineren Singvögel wefentlich vermehrt, und zwar — ſeitdem, außer den ſonſt zu gunſten der Lieblinge getroffenen Einrichtungen, dem räuberiſchen Treiben ehemals zahlreicher verwilderter Katen erfolgreich geſteuert worden iſt.

Die Amſeln, die in ſo kurzer Zeit. ſo auffällige Wandlungen ihres Weſens dur<hgemacht haben, werden dieſe heute niht ſhon abgeſchloſſen haben; an manchen Örtlichkeiten mögen einzelne oder viele von ihnen auch üble Eigenſchaften erworben haben, aber deshalb können wir nicht gleih über das ganze Geſchlecht dieſer uns lieben und vertrauten Sänger den Stab brechen. Schäßt doh au< Altum, ohne die Amſel etwa auszuſchließen, den Nugen der Droſſeln höher als den aller übrigen Vögel. :

Neben den genannten Arten nun, welche wir als die deutſchen bezeihnen können, haben ſih in unſerem Vaterlande nicht bloß ſibiriſche und nordamerikaniſche, ſondern auch indiſche und japaniſche Droſſeln gezeigt. Von Sibirien her ſind bei uns erſhienen: Die Shwarzfehldroſſel (Turdus atrigularis), die NRoſtflügeldroſſel (T. dubius), die Hügeldroſſel (T. naumanni), die Rothalsdroſſel (T. ruficollis), die Blaßdroſſel (7. obscurus), die Bunte Droſſel (T. yarius) und die Wechſeldroſſel (T. sibiricus); von den in Nordamerika heimiſchen Arten beſuchten uns: die Wanderdroſſel (T. migratorius), die Einſiedlerdroſſel (T. pallasii) und die Sängerdroſſel (T. swains 01); aus Südaſien kamen: die Bergdroſſel (T. dauma) und endlich die Weichfederdroſſel (T. mollissimus). Weitere Angaben über alle dieſe Arten würden den mir zugemeſſenen Naum überſchreiten.

Die Droſſeln ſind Weltbürger und leben in den verſchiedenen Ländern auch unter verſchiedenen Verhältniſſen, vorzugsweiſe jedo<h immer und überall im Walde. Weniger wähleriſh als die Erdſänger, herbergen ſie in jedem Beſtande; denn nit bloß der reihe Wald der Auen oder der Urwald unter den Wendekreiſen, ſondern auh der Schwarzwald oder der dünn beſtandene Buſchwald der Steppe weiß ſie zu feſſeln; ja noh über die Grenze des Holzwuchſes, unmittelbar unter und zwiſchen den Gletſchern finden ſie Wohnpläße, welche ihren Anſprüchen genügen. Allerdings verweilen nur die wenigſten Arten jahraus jahrein an derſelben Stelle; die Mehrzahl zeigt eine Wanderluſt wie wenige andere Vögel. Diejenigen, welche als ſelten geſehene Gäſte bei uns erſchienen, durchzogen faſt die Hälfte des