Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Droſſeln: Geſang. Nahrung. Fortpflanzung. 89

über dem Boden. Der Bau beſteht aus zarten, dürren Reiſern, Stengeln, Flehten, Baumund Erdmoos, mit no< anhängender Erde, aus zarten Wurzeln oder feinen Zweigen und dergleichen; das Jnnere iſt mit tro>enen Grasblättern, Hälmchen und Riſpen glatt und nett ausgelegt. Das Gelege enthält 4—5 verhältnismäßig kleine, 30 mm lange, 22 mm dide, glattſchalige Eier, welche auf blaß meergrünem Grunde mit gröberen oder feineren violettgrauen Punkten gezeichnet ſind. Jn nicht ganz ungünſtigen Jahren brütet das Paar zweimal im Laufe des Sommers. Das Neſt der Singdroſſel ſteht in der Regel niedriger, meiſt auf ſ<hwachen Bäumchen oder in Büſchen, iſt äußerlih aus ähnlichen Stoffen zuſammengebaut, aber zierliher, dünnwandiger und innen mit klar gebiſſenem, faulem Holze, welches mit dem Speichel zuſammengeklebt, mit dem Schnabel dur{<knetet und ſehr glatt geſtrichen wird, ſauber und feſt ausgelegt. Anfang April liegen im Neſte 4—6 Eier, die 27 mm lang, 18 mm di, glattſhalig und glänzend, auf meergrünem Grunde mit feinen oder größeren Fle>en von ſ{hwarzer oder ſhwarzbrauner Farbe gezeihnet ſind. Jm Vorſommer findet eine zweite Brut ſtatt. Die Wacholderdroſſel niſtet, wie bereits oben bemerkt, ſeit faſt einem Jahrhundert regelmäßig auh in Deutſchland; ihre eigentlichen Brutpläße aber ſind die Birkenwaldungen des Nordens. Hier ſicht man beinahe auf jedem Stamme ein Neſt ſtehen. Einzelne Bäume tragen nah eignen Beobachtungen deren 5—10, von denen jedo< in den meiſten Fällen zur Zeit nur ein einziges benußt wird, woraus hervorgeht, daß ein und derſelbe Waldesteil alljährlich zum Brüten wieder aufgeſucht wird. Betritt man ihn, während die Vögel Eier oder Junge haben, ſo herrſcht hier überaus reges Leben. Der ganze Wald hallt wider von dem Geſange und dem ängſtlichen Geſchreie unſerer Vögel; denn die Anzahl der brütenden Pärchen läßt ſi< nur nah Hunderten abſchäßen Die Neſter ſtehen ſelten tiefer als 2 m über dem Boden, gewöhnlih näher dem Wipfel der übrigens immer niedrigen und buſchartigen Birken. Jedes einzelne Pärchen behauptet ein eignes Gebiet; deſſen Umfang iſt aber ſo gering, daß man ſagen darf, jeder paſſende Baum ſei Mittelpunkt eines ſolchen. Das Neſt, ein Napf von ziemlicher Größe, welches aus einigen Reiſern, groben Halmen und Gräſern beſteht und innen mit zarteren Gräſern ausgefüllt iſt, wird auf dem mit einer dien Schicht Erde vermiſchten Unterbaue errichtet. Die 5—6 Eier des Geleges ſind 26 mm lang und 20 mm di>, auf matt- oder lebhaftgrünem Grunde mit größeren und verwaſchenen oder ſchärfer gezeichneten kleineren Fle>en und Punkten von rotbrauner Farbe, am dieren Ende gewöhnlich dichter als anderswo, zuweilen kranzartig gezeihnet. “ An den in Deutſchland brütenden Wacholderdroſſeln beobachten wir, daß auh ſie ſi< in kleinen Geſellſchaſten halten.

Die Rotdroſſel brütet ungefähr in denſelben Gegenden wie die lebtgenannte, ſcheint aber mit Vorliebe ſumpfige Wälder aufzuſuchen. Fn Deutſchland iſt ſie ebenfalls, jedoch ſehr ſelten als Brutvogel gefunden worden. Die Neſter ſtehen niedrig über dem Boden, ähneln denen der Singdroſſel und ſind innen wie jene mit zerbijſenem Holze, Erde und Lehm überfleiſtert. Die Eier gleichen denen der Singdroſſeln bis auf die etwas geringere Größe.

Die Ningdroſſel baut da, wo ſie während des Sommers lebt, in Mitteleuropa nur im Hochgebirge und niht unter 1000 m über dem Meere, in Skandinavien hingegen an allen geeigneten Pläßen, von der Meeresküſte an bis zu einer Höhe von etwa 1500 m aufwärts. Jm Rieſengebirge oder in der Schweiz wählt ſie ſih zu ihren Brutpläßen die fümmerlihen Baumgruppen, welche man nur im beſchränkten Sinn? Wälder nennen kann, oder diejenigen Stellen, wo Knicholz und Halden abwechſeln. Glo zer und ih fanden im Nieſengebirge die Neſter noh in einer Höhe von faſt 1500 m, auf verkrüppelten Fichten und im Knicholze, niht höher als 3 m, gewöhnlih 1—2 m über dem Boden, und zwar in der Nähe bewohnter „Bauden“ ebenſowohl wie fernab vom Getreibe der Menſchen. Jedes Pärcen bewohnt hier ein kleines Gebiet und lebt in Frieden mit benahbarten Pärchen. Die