Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Droſſeln. Gra3müc>en: Allgemeines, 91

der Wintermonate allerorten von Droſſeln. Auf den ſonnigen Gehängen der Hochgebirge Südſpaniens ſiedeln ſi, jezt zu mehr oder minder zahlreichen Flügen vereinigt, Ringamſeln an; in Wäldern, Gebüſchen und Weingärten treiben ſih Sing- und Rotdroſſeln zu Tauſenden umher. Die Miſteldroſſel ſieht man ſeltener, falls überhaupt diejenigen, denen man in Spanien begegnet, als Zugvögel zu betrachten ſind; die Wacholderdroſſel gehört unter die ſeltenſten Wintergäſte der Fberiſchen Halbinſel. Das Gleiche gilt für Süditalien und für Griechenland; de< muß ih ausdrüdli<h hervorheben, daß hier die Ringamſel nur äußerſt ſelten gefunden wird. Alle Droſſeln wandern in zahlreichen Geſellſchaften, zuweilen in ungeheuern Flügen, welche ſih bereits im Norden ſammeln, und ziehen in außerordentlicher Höhe, wahrſchheinlih niht viel unter 2000 m Höhe dahin. „Fm Herbſte des Fahres 1852“, erzählt Gadamer, „hörte ih in einem Walde über mir plöglih ein fur<tbares Brauſen, welches mit einem ſcharf heulenden Laute verbunden war. Das Geräuſch erſchre>te mich, denn ih glaubte, mih unter einem herabfallenden Meteor zu befinden. Bald aber wurde das Rätſel gelöſt; denn ih befand mich plößlih unter mehr als 10,000 Rotdroſſeln, welche, aus einer außerordentlichen Höhe herabſtürzend, auf allen rings um mi ſtehenden Bäumen auffielen. Jhr Herabſtürzen geſchah mit ſolher Geſchwindigkeit, daß ih die Vögel niht eher ſehen konnte, als bis ſie auf die Bäume ſchlugen.“ Genau dasfelbe beobachtete Gätfe alljährliH auf Helgoland. Jm Verlaufe der Reiſe zerteilen ſih derartige Shwärme in kleinere Geſellſchaften, aber dieſe ſtehen unter ſi<h gewiſſermaßen im Verbande, ſo daß unter Umſtänden mehrere Geviertkilometer von ihnen beſeßt ſind und jeder größere Buſch ſeinen Bewohner gefunden hat.

„Inter ayes turdus, sì quis me judice certet, Iuter quadrupedes gloria prima lepus“

ſingt ſchon der alte Martial, das vortreffliche Fleiſch der Droſſeln rühmend. Andere Naturbeobachter des Altertumes verſichern, daß dieſes Wildbret auh gegen mancherlei Krankheit mit Erfolg gebraucht werden könne, und ſchildern deshalb genau die Art und Weiſe ſeiner Zubereitung. Wir dürfen annehmen, daß die Droſſeln bereits vor Zeiten in derſ elben Weiſe gefangen wurden wie jeßt, wenn man auh damals vielleiht no< keine Vogelherde oder Dohnenſtiege wie heutzutage anwendete. Gegenwärtig kommen bei uns zu Lande beiderlei Fanganſtalten vielleicht mehr und mehr in Abnahme; in Ftalien, Spanien und Griechenland dagegen ſtellt den Droſſeln jedermann nach, und die Anzahl derer, welche dort vernichtet werden , iſt kaum zu berechnen.

Für die Gefangenſchaft eignen ſich alle Droſſeln; ihr volltönender und kräftiger Geſang iſt jedo<h für das enge Zimmer faſt zu ſtark, und ihre rege Freßluſt hat Übelſtände zur Folge, welche auh durch die ſorgfältigſte Reinlichkeit nicht gänzlich beſeitigt werden können. Einen großen, im Freien errichteten Geſellſhaftsbauer beleben ſie in höchſt anſprechender Meiſe. Jhre Munterkeit und Regſamkeit wirbt ihnen warme Freunde, und ihr köſtlicher Geſang entzü>t den Liebhaber ſhon in den erſten Monaten des Jahres, zu welcher Zeit andere Vögel no< ſchweigen.

Die zweite Unterfamilie der Sänger umfaßt die Grasmücen (Sylviinae), fleine, geſtre>t gebaute Singvögel mit \{lankem, dünnem, pfriemenförmigem, auf dem Firſte bis zur leiht ausgerandeten Spize gekrümmtem Schnabel, kurzen oder höchſtens mittelhohen Füßen, deren Läufe vorn mit geteilten Schildern bekleidet ſind, mittellangen, meiſt gerundeten Flügeln, deren Handteil ſtets 10 Schwingen trägt, verſchiedenartig gebildetem, fürzerem oder längerem Schwanze und ſeidenweichem Gefieder.