Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

106 gs Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

beſteht aus 4—6 zartſchaligen Eiern, welche 16 mm lang, 12 mm di und beſonders am dieren Ende auf reinweißem oder bläulihgrünem Grunde mit aſch- oder violettgrauen, gelbbraunen Fle>en und Punkten beſtreut ſind. Beide Eltern brüten wechſelweiſe, zeitigen die Eier innerhalb 13 Tagen, lieben ihre Brut mit derſelben Zärtlichkeit wie andere Grasmüd>en, brauchen auch dieſelben Künſte der Verſtellung, wenn ihnen Gefahr droht, und verfolgen no< außerdem den ſi< nähernden Feind mit ängſtlihem Geſchrei. Jm allgemeinen ſind die Zaungrasmücen während ihrer Fortpflanzungszeit äußerſt mißtrauiſch, laſſen ein bereits angefangenes Neſt oft liegen, wenn ſie erfahren haben, daß es von einem Menſchen auh nur geſehen, und verlaſſen das Gelege, ſobald ſie bemerken, daß es berührt wurde; diejenigen aber, wel<he von dem Wohlwollen ihrer Gaſtfreunde ſich überzeugt haben, verlieren nah und nah ihr Mißtrauen und geſtatten, daß man ſie, wenn man vorſichtig dem Neſte naht, während ihres Brutgeſchäftes beobachtet. Die Jungen laſſen ſie nie im Stiche; auh die ihnen untergeſchobenen jungen Kuku>e, bei denen ſie ſehr häufig Pflegeelternſtelle vertreten müſſen, ziehen ſie mit Aufopferung groß.

Wie die meiſten Grasmü>en läßt ſi< das Müllerchen leiht berü>en, ohne ſonderliche Mühe an ein Erſaßfutter gewöhnen und dann lange Zeit im Käfige halten. Bei guter Behandlung wird es ſehr zahm und erwirbt ſich dadurch ebenfalls die Gunſt des Liebhabers.

Die Dorngrasmü>e, das Weißkehlchen, der Hagſ<hlüpfer, He>en- und Staudenſ<hmäßer, Wald- oder Nahtſänger und Dornreich 2c. (Sylvia rufa, cinerea, cineraria, fruticeti und affinis, Motacilla rufa und fruticeti, Ficedula curruca und cinerea, Curruca sylyia, cinerea, fruticeti, cineracea und caniceps, Abbildung S. 105), die lebte Art ihrer Gattung, welche in Deutſchland brütet, zeihnet ſih dur<h Sthlankheit aus. Jhre Länge beträgt 15, die Breite 22, die Fittih- wie die Shwanzlänge 7 em. Die Oberteile ſind rötlich erdbraun, Oberkopf, Hinterhals und Ohrgegend braungrau, Zügel Schläfenſtrih und Halsſeiten deutli< grau, Kinn, Kehle und Unterbaen weiß, die übrigen Unterteile zart fleiſhrötlih, an den Seiten roſtbräunlich, die Schwingen olivenbraun, außen {mal roſtfahl, die Armſchwingen und deren Deen breit roſtbraun geſäumt, die Shwanzfedern dunkelbraun, die beiden äußerſten außen weiß, innen in der Endhälfte weißgrau, die zweite von außen her am Ende weiß geſäumt. Die Jris iſt braun, der Shnabel hornbräunli, unterſeits horngelblih, der Fuß gelb. Beim Weibchen ſind Oberkopf und Hinterhals erdfahl, die Unterteile weiß und die braunen Außenſäume der Armſchwingen ſhmäler und bläſſer.

Unter allen Verwandten dringt die Dorngrasmüce am weiteſten nah Norden vor, da ſie no< im nördlichen Skandinavien gefunden wird; nah Oſten hin dehnt ſich ihr Verbreitungsgebiet bis Weſtaſien: Alfred Walter fand ſie noh in Transkaſpien als Brutvogel; im Winter wandert ſie bis Mittelafrika, beſucht auch um dieſe Zeit die Kanariſchen Fnſeln. Bei uns zu Lande bevorzugt ſie niedere Dorngebüſche jedem anderen Beſtande; in Spanien lebt ſie mit den kleinen Arten der Familie in dem eigentümlichen Niederwalde, von welchem ih weiter unten zu reden haben werde. Den Wald meidet ſie hier wie dort; auc in Gärten nimmt ſie ihren Aufenthalt nicht, obwohl ſie einzelne höhere Bäume in ihrem Gebiete wohl leiden mag, um in den niederen Äſten der Krone zu ſingen oder während der Paarungszeit aus der Höhe, zu welcher ſie fliegend ſich erhob, auf jene ſih herabzulaſſen. Auf dem Zuge beſucht ſie die Fruchtfelder, in Deutſchland Roggen- oder Weizenfelder im Süden Curopas Maispflanzungen. Sie trifft ſpät ſelten vor Ende April, meiſt erſt Anfang Mai, bei uns ein, bezieht ſofort ihr Brutgebiet und verweilt auf ihm bis zum Auguſt, beginnt dann zu ſtreihen und verläßt uns im September, ſpäteſtens im Oktober wieder.

„Sie iſt“, ſagt mein Vater, „ein äußerſt lebhafter, raſcher und gewandter Vogel, ruht keinen Augenbli>, ſondern hüpft unaufhörlih in den Gebüſchen herum und durchkrieht