Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

108 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Ein verſhönertes Abbild der Dorngrasmücke im kleinen iſt die Brillengrasmüe (Sylvia conspicillata und icterops, Curruca und Stoparola conspicillata). Shre Länge beträgt 12,7, die Breite 17,5, die Fittichlänge 56, die Schwanzlänge 5,2 em. Dex Kopf iſt dunkel-, die Ohrgegend hell aſ<hgrau, der Zügel [<warxz, die Oberſeite hellbraun, roſtrötlih überflogen, der Bürzel roſtrötlihgrau die Kehle wie das untere Shwanzde>gefieder weiß, die übrige Unterſeite zart fleiſhrötlih, auf der VBauchmitte heller; die Shwingen ſind grau, die Armſchwingen und oberen Flügelde>federn auf der Außenfahne breit roſtrot geſäumt; die äußerſte Schwanzfeder iſt auf der Außenfahne bis gegen die Wurzel hin weiß, auf der Funenfahne mit einem bis zur Mitte reichenden Keilfle>en gezeihnet, wel her auf den übrigen Steuerfedern immer kleiner und fürzer wird. Ein weißer Ring umgibt das Auge; dieſes iſt licht rötlihbraun, der Schnabel ſleiſchrötlih an der Wurzel, ſhwarz an der Spiße, der Fuß gelblich fleiſchfarben oder rötlihgrau. Die Jungen unterſcheiden ſi von den Alten hauptſählih durch die einfa graue, d. h. niht rötlih überflogene, Bruſt. Von der Dorngrasmücke, als deren Abart einzelne Forſcher ſie betrachtet wiſſen wollen, unterſcheidet ſi< die Brillengrasmü>e außer ihrer geringeren Größe und ſchöneren Färbung auch dadurch, daß bei ihr die vierte, nicht aber die dritte Fittichfeder die längſte iſt.

Man darf die Brillengrasmü>e als einen Charaktervogel der ſüdlihen Mittelmeerländer bezeichnen. Sie bewohnt Südfrankreich, Spanien, Portugal, Nordweſtafrika, Paläſtina bis Perſien, Kleinaſien, Griechenland und Süditalien, ebenſo die Fnjſeln des Grünen Vorgebirges, und bevölkert in Spanien wie in Griechenland oder auf Sardinien und Malta die mit dem niederſten Geſtrüppe, namentli<h mit Rosmarin oder mit Diſteln, beſtandenen dürren Berggehänge. Hier ſcheint ſie Stand- oder höchſtens Strichvogel zu ſein. Graf von der Mühle traf ſie in Griechenland im Winter in kleinen Geſellſchaften an; mein Bruder beobachtete ſie während derſelben Jahreszeit in den Gärten, welche an die Fruchtebene von Murcia grenzen; Wrig ht nennt ſie den einzigen Standvogel Maltas: Cara verſichert, daß ſie Sardinien nich1 verlaſſe, während Salvadori glaubt daß nur einzelne Brillenſänger auf der leßtgenannten Fnſel überwintern, und hinzufügt, daß mit Beginn des April viele in der Nachbarſchaft von Cagliari erſchienen. Die erſten, welche ih beobachtete, trieben ſih an einer öden, nur hier und da mit Wein bepflanzten Bergwand herum; ſpäter fanden wir mehrmals kleine Geſellſchaften in Diſtelbeſtänden auf. Hansmann traf ſie auf Sardinien in Strauchwäldern in der Nähe der Küſte, niht aber im Gebirge.

Zh meinesteils hatte wenig Gelegenheit, das niedlihe Geſhövpf zu beobahten. Die erſten, welche ih bemerkte, fand ih niht ſcheu, ſondern verhältnismäßig zutraulich. Sie verkrochen ſih auch niht in dem Geſtrüppe nach Art ihrer Verwandten, ſondern zeigten ſi gern frei, und namentlih die Männchen ſeßten ſich oft auf die höheren Spißen, um von ihnen herab zu fingen. Ganz anders benahm ſi derſelbe Vogel nah beendeter Mauſer im Herbſte. Febt verbarg er ſih zwiſchen den Diſteln und Rosmarin, ſchlüpfte wie die Dorngrasmü>e von einem Buſche zum anderen und wußte ſih förmlih unſichtbar zu machen. Aufgeſcheucht, flog er gewandt und {nell weit dahin, von einem Berge zum anderen und war in ziemlicher Höhe über dem Boden; doch ſchien es mix, als ob dieſes Betragen weniger eine Folge der Furcht vor dem Menſchen, als vielmehr auf ſeine Lebendigkeit und Regſamkeit begründet wäre. Wright berichtet, daß der Brillenſänger auf Malta bei einigermaßen günſtiger Witterung ſchon im Januar zu ſingen beginne und im Frühjahre ſein anmutiges Lied ſehr fleißig vernehmen laſſe, und daß er faſt immer von einem hohen Siße, entweder von der Spige eines Zweiges oder wohl auch von der Kuppe eines größeren Steines herab, zu fingen pflege.

„Der BVrillenſänger“, ſagt Hansmann, „hat hinſichtlih ſeiner Sitten viel Ähnlichkeit mit der Dorngrasmücke. Wenig ſcheu, erſcheint er oft ſingend auf der Spige der Dornen