Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Sardengrasmüc>ke. Schlüpfgrasmü>e. 115

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß der Sänger der Provence keineswegs bloß dieſe, Weſtfrankreih und das übrige Südeuropa oder Kleinaſien und Nordafrika, ſondern auch das ſüdliche Großbritannien ſtändig bewohnt. Hier hauſt er in dem öde Triften de>enden Stachelginſter; in Spanien dagegen geben ihm die niederen Kieferndidichte, die mit der ſtattlihen Buſchheide, den Ciſtenroſen bede>ten Nordabhänge der Gebirge Kataloniens, die mit dürſtigem Geſtrüpp kaum begrünten Einöden Valencias, die ſteppenartigen Ackerſtücke Kaſtiliens, die Eichenwälder, Heten, niederen Gebüſche, kurzum, der Buſchwald im weiteſten Sinne, Herberge. Kaum betritt man einen dieſer Urwälder der kleinen Sängerſchaft, ſo vernimmt man ſein einfahes, aber gemütliches Liedchen, welches nah HanSmanns Verſicherung dem des Sardenſängers aufs täuſchendſte ähnelt, und erbli>t, wenn man glü>li< iſt, das rotgebrüſtete Vögelchen auf der Aſtſpize eines Buſches. Hier dreht und wendet es ſi nach allen Seiten, ſpielt mit ſeinem Schwanze, den es bald ſtelzt, bald wieder niederlegt, ſträubt die Kehle und ſingt dazwiſchen. Beim Herannahen des Jägers huſcht es aber ſ<nell wieder in das Dickicht, und iſt dann auch dem ſchärfſten Auge zeitweilig verſ<wunden. Aber das währt nicht lange; denn immer und immer wieder erſcheint es auf der Spige des Kronentriebes einer Kiefer, auf dem höchſten Zweige eines Buſches, ſieht ſich einen Augenbli> um, ſtürzt wieder auf den Boden herab und huſcht und läuft hier wie eine Maus dahin. FZſt das Dikicht weniger filzig, ſo ſieht man es ab und zu, doh nur einem Schatten vergleichbar; denn man gewahrt nur einen eilig ſi< bewegenden Gegenſtand. Nah einem Schuſſe oder einem anderen Geräuſche erſcheint es regelmäßig auf der Spiße eines Buſches, doh nux, um ſi< umzuſehen; im nächſten Augenbli>e iſt es verſhwunden. Jn ſeinem Betragen hat es mich oft an unſere Braunelle erinnert; es iſt aber weit gewandter und behender als dieſe.

Beſonders anmutig erſcheint der Sänger der Provence, wenn er ſeine Familie führt. Auch ex beginnt ſhon in den erſten Monaten des Jahres mit ſeinem Brutgeſchäfte, niſtet aber zwei-, ſogar dreimal im Laufe des Sommers und zieht jedesmal eine Geſellſchaft von 4—5 Jungen heran. Sobald dieſe nur einigermaßen flugfähig ſind, verlaſſen ſie das Neſt, auf ihre vom erſten Kindesalter an bewegungsfähigen Füße ſih verlaſſend. Den fleinen unbehilflihen Jungen wird es ſchwer, ſih in die Höhe zu ſhwingen, und ſie laufen deshalb ganz wie Mäuſe auf dem Boden dahin. Aber die Alten fürchten, wie es ſcheint, gerade wegen ihres Aufenthaltes da unten in allem und jedem Gefahr und ſind deshalb überaus beſorgt. Abwechſelnd ſteigt eines um das andere von den beiden Eltern nah oben empor, und unabläſſig tönt der Warnungs- und Lockruf des Männchens, dem die ſhwere Pflicht obliegt, die Familie zuſammenzuhalten. Sind die Jungen etwas weiter entwielt, ſo folgen fie den Alten auch in- die Höhe, und es ſicht dann köſtlih aus, wenn erſt das Männchen und hierauf eins der Jungen nah dem anderen auf den Buſchſpiben erſcheint und dann beim erſten Warnungsrufe die ganze Geſellſchaft ſih mit einem Male wieder in die Tiefe hinabſtürzt. Man gewahrt nur noch eilfertiges Rennen, Laufen und Huſchen, hört ab und zu das warnende „Zerr zerr“ und endlich nichts mehr, bis das Männchen wieder nach oben fommt.

Das Neſt ähnelt dem der Verwandten; die Eier ſind etwa 18 mm lang, 14 mm breit und auf grünlihweißem Grunde verſchiedenartig lichter oder dunkler braun gefle>t.

Auf die beſprohenen Grasmücken mögen die He>enſänger oder Baumnachtigallen (Aëdon) folgen. Die neun in Südeuropa, Kleinaſien, Paläſtina und Afrika lebenden Arten dieſer Untergattung ſind kleine, geſtre>t gebaute Grasmücken mit verhältnismäßig ſtartem, auf dem hohen Firſte merklich gebogenem Schnabel, mäßig hohen Fußwurzeln, ziemlich furzen Flügeln, in denen die dritte und vierte Shwinge unter ſih gleich lang ſind und

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