Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

114 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Warnungsruſe. Der ſardiſhe Sänger iſt der allerleßte, welcher ſi<h no< in dex Dämmerung hören läßt, nahdem ſhon die erſten Zwergohreulen angefangen haben zu rufen. Dann aber iſt ſein Geſang nur ein helles Aufflackern, welches ſi< in langen und unregelmäßigen Pauſen wiederholt, jedenfalls eine Folge der Unruhe dieſes Vogels, dem die herabſinkende Naht noh nicht ſogieih auf die Augenlider fällt.

„Es ijt ziemlih ſ{<hwierig, den Sardenſänger an ſeinen dicht bebuſchten Aufenthaltsorten zu erlegen. Sobald er ſi verfolgt ſieht, taucht er unter die Ciſtenzweige, ſein Weſen dicht über der Erde forttreibend. Dies wird um ſo leichter als erſtere, oben wohl eng mit den Kronen ſih berührend, eine weite und zuſammenhängende Dee bilden, unten jedo, wo die Zwiſchenräume der Stämme niht mit Moos oder Gras ausgefüllt werden, einen genügenden Raum zu freier Bewegung darbieten. Zuweilen taucht er dann zwiſchen den oberen Zweigen jener Pflanzen auf, geſchi>t dur die Blätter ſih de>end, ſo daß man höhſtens einen Teil des Shwanzes oder eines anderen Gliedes, nie jedo< den ganzen Vogel gewahr wird. Verhält man ſi< ruhig, ſo erſcheint er auh wohl ſingend auf dem Gipfel des nächſten Buſches, von dem man ihn dann, ſchnell feuernd, herabſchießen kann. Jede verdähtige Bewegung vorher macht, daß er mit einem kurzen ,Tä> unter der Laubde>e verſhwindet. Flügellahm geſchoſſen, läuft er hurtig an der Erde fort, und man muß flink hinterher ſein, will man ihn noh zu rechter Zeit ergreifen.

„Sein Neſt legt er am liebſten in einem dichten Dornen- oder Myrtenbuſche an, da ihm die Ciſten im ganzen doh zu durhſihtig ſind. Es beſteht aus dürren Halmen und iſt inwendig mit einzelnen Pferdehaaren, hin und wieder auh mit einer Feder ausgelegt, verhältnismäßig tief, jedo<h niht feſt gebaut und dünnwandig, nah Art etwa des Neſtes der fahlen Grasmüce, mit welher überhaupt alle Strauchſänger im Neſtbaue Ähnlichkeit haben. Die 4—5 Eier ſind auf grünlih ſ{hmußigweißem Grunde mit ölgrünen Wolken, welche hin und wieder das Gepräge von Fle>en annehmen, ſowie mit einzelnen wirklichen ins Aſhbläuliche ſpielenden Fle>en, ſ<hwarzen Pünktchen und ab und zu einer ſ{hwarzen Schnörkellinie gezeihnet. Die Fungen gleichen vollkommen den Alten, nur daß der dunkle Anflug auf dem Scheitel und an den Zügeln bei dem jungen Männchen bei weitem nicht ſo ſtark iſt wie bei dem erwachſenen, und daß der Augenlidrand des Jugendkleides einen nux geringen roten Anflug zeigt. Sonſt aber iſt das Weſen, wie wir es an den alten Vögeln ſehen, ſhon gänzlih bei den kaum flüggen Jungen ausgeprägt, und es hält ziemlih ſ{<wer, die aus dem Neſte herausgehüpften Vögel zu ergreifen, da ſie mit ungemeiner Behendigkeit zwiſchen den Ciſtenzweigen hindurchzuklimmen und ſo zu entfliehen wiſſen.

„Der ſardiſhe Sänger iſt Standvogel für Sardinien und verläßt auh im Winter ſeinen einmal gewählten Aufenthalts8ort niht. Da er ſhon mit dem Anfange des April zu niſten beginnt, bringt er gewiß den Sommer über drei Bruten zu ſtande.“

Aus vorſtehender Schilderung iſt mir deutlih hervorgegangen, daß die Shlüpfgrasmüd>e oder der Provenceſänger (Sylvia provincialis, undata, ferruginea und dartfordiensis, Melizophilus proyincialis und dartfordiensis, Motacilla provincialis und undata, Ficedula ulicicola, Curruca, Thamnodus und Malurus provincialis), wel{he ih in Spanien ſehr häufig beobachtet habe, als der nähſte Verwandte des ſardiſchen Sängers angeſehen werden muß. Das Gefieder der Oberſeite iſt dunkel aſhgrau, das der Unterſeite dunkel weinrot, das der Kehle gelblihweiß geſtreift; die Shwingen und Steuerfedern ſind bräunlichgrau, die vier äußerſten Shwanzfedern jederſeits an der Spiße weiß geſäumt. Das Auge iſt hell rotbraun, der Augenring ziegelrot, der Schnabel ſhwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels rötlih, der Fuß rötlihgrau. Die Länge beträgt 13, die Breite 16, die Fittichlänge 5, die Shwanzlänge 6 em.