Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Baumnachtigall: Verbreitung. Aufenthalt. Weſen. 1

eine wie die andere bevölkert vorzug8weiſe jene dürren, nur vom Regen befeuchteten Stellen des Südens, welche ſpärlih mit niederem Buſchwerke beſtanden ſind, ohne jedo<h bebaute Örtlichkeiten und die Nähe menſchlicher Wohnſiße zu meiden. Dies bleibt ſih glei<h in Spanien wie in Griechenland, in Ägypten wie in der bereits wiederholt erwähnten Samhara oder der innerafrikaniſchen Steppe. Jn Spanien und Griechenland ſind es vor allem anderen die Weinberge und Ölbaumpflanzungen,, welche ihnen Herberge geben; in Kleinaſien leben ſie in dünn beſtandenen, parkartigen Baumbeſtänden bis zu 2000 m Höhe auf: wärts: in Nordoſtafrika ſiedelt eine ihnen verwandte Art in tro>enen Gärten, Mimoſenhainen, Baumwollfeldern, Rohrdi>kichten oder zwiſchen den Hütten der Dörfer ſih an, vorausgeſeßt, daß es hier an dichten Büſchen niht fehlt. Jm Urwalde habe i< keine Baumnactigall geſehen; im dünn beſtandenen Steppenwalde iſt ſie häufig; hohe Gebirgs-, nicht aber Bergwaldungen ſcheint ſie zu meiden.

In Mittelafrika ſind die Baumnachtigallen Standvögel, in Nordafrika und Südeuropa Zugvögel. Sie erſcheinen in Griechenland und Spanien um die Mitte oder zu Ende des April, in Ägypten kaum früher, und verlaſſen das Land zu Ende des September wieder. Die Männchen kommen zuerſt an, die Weibchen folgen einige Tage ſpäter nah. Während des Zuges macht ſih der muntere Vogel allerorten bemerklich: ſpäter muß man ihn auf ſeinen Lieblingspläßen aufſuchen. Hier freilih fällt er jedem auf, welher Augen hat, zu ſehen: in Spanien iſt der Roſardo (Nötling) oder Alzarabo (Schwanzaufheber) ebenſo bekannt wie bei uns zu Lande das Rotkehlchen. Die Baumnathtigall macht einem ihrer Namen: A oxrobates, alle Ehre; denn ſie liebt es in der That, auf die Spigen zu gehen. Der höchſte Zweig des Lieblingsbuſches, der Pfahl, an welchem die Rebe befeſtigt iſt, ein Baumwipfel oder ein Telegraphendraht ſind Warten, wie ſie ſolche haben mag. Hier ſitt ſie, den Schwanz geſtelzt, die Flügel geſenkt, mit eingekni>ten Beinen, aber ziemlih aufgerichtet; von hier herab trägt ſie ihr Lied vor, von hier aus ſpäht ſie nah Beute aus. Entde>t ſie einen Wurm, ein Kerbtier oder etwas Ähnliches, ſo ſtürzt ſie ſich raſ<h auf den Boden herab, büt ſi, wippt mit dem Schwanze und breitet ihn aus, ſeine volle Schönheit zeigend, rennt dann eilig ein Stü auf dem Boden dahin, fängt den Raub, ruft dabei behaglich ihr lodendes „Taf tak“ und kehrt nah demſelben Ruhepunkte, welchen ſie früher einnahm, wieder zurü>. Dies geſchieht ſo regelmäßig, daß der Schüße ſie unfehlbar erlegt, wenn er in der Nähe einer ihrer Warten ſich anſtellt und ſie dur einen Fagdhelfer treiben läßt. Sie nimmt ihre Nahrung hauptſähli<h vom Böden auf und ſucht deshalb alle na>ten Stellen ab, fommt auch auf freie Blößen heraus und läuft namentlich oft auf Wegen und Straßen umher. „Durch ihr wenig ſhüchternes und doh lebhaftes Weſen, welches in mancher Beziehung an das der Shwarzdroſſel exinnert““, ſagt von Heuglin, „erfreut ſie den Bewohner der Landhäuſer und Gärten. Oft flattert ſie unruhig und häufig von Zweig zu Zweig, ſelbſt bis in die höheren Kronen der Bäume, den Schwanz beſtändig bewegend, ausbreitend und aufſchlagend; bald wieder ſicht man ſie emſig auf dem kahlen Boden oder im Geſtrüppe und tro>enem Graſe umherhuſchen und auf Würmex und Raupen jagen. Plößlich ſtößt ſie einen droſſelartigen Angſtruf aus und flüchtet \cheltend in die Büſche.“ Sie iſt klug und vorſichtig, ja ſelbſt ſcheu, wo ſie es nötig hat, zutraulih da, wo ſie es ſein darf, unſtet, Tüchtig und bewegungsluſtig in hohem Grade. Jn Spanien fanden wir ſie überall ſcheu; in Mittelafrika läßt ſie den braunen Eingeborenen dicht neben ſi vorübergehen, weicht aber dem ihr fremdartig erſcheinenden Europäer ſorgſam aus. Anderen Vögeln gegenüber friedfertig, liegt ſie mit ihresgleichen oft im Streite. Zwei Männchen verfolgen ſih mit großem Jngrimme, wirbeln zuſammen hoh empor, ſtürzen ſi raſh wieder in die Tiefe und jagen ſi pfeilſchnell zwiſchen den Büſchen umher, dabei eine auffallende Gewandtheit beweiſend und den prächtigen Shhwanz bald breitend, bald wieder zuſammenlegend. Ebenſo