Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

120 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

kei kei fei fei, karre farre farre, fitt“ find die wichtigſten und weſentlihſten Teile dieſes Liedes. Und dennoch ſpricht es an. Es liegt etwas Gemütliches in jenen Lauten, etwas Luſtiges in der Art und Weiſe, wie ſie vorgetragen werden. Da man dort, wo ſie erklingen, auf anderen Vogelgeſang kaum re<nen darf, vielmehr gewöhnli<h nur die Stimmen der Waſſervögel, das S<hnattern der Gänſe und Enten, das Quaken der Reiher, das Knarren der Rothühner vernimmt, ſtellt man freili<h auh beſcheidene Anforderungen und wird zu mildem Urteile geneigt. Jh muß geſtehen, daß der Geſang der Nohrdroſſel mi von jeher außerordentli<h angezogen hat. Ex vermochte mi nicht zu entzü>en, hat mich aber immer weidlih ergößt. Dem Männchen iſt es Ernſt mit ſeinem Singen: es gebärdet ſi, als ob es mit einer Nahtigall wetteifern wolle. Hoch aufgerichtet, mit hängenden Flügeln und ausgebreitetem Schwanze, di> aufgeblaſener Kehle, den Schnabel nach oben gewendet, ſit es auf ſeinem ſhwankenden Halme, ſträubt und glättet abwechſelnd die Scheitelfedern, auh wohl das übrige Gefieder, ſo daß es viel größer erſcheint als ſonſt, und ſ<hmettert ſein Gequak fröhlih in die Welt hinaus.

Die Rohrdroſſel brütet, wie alle ihre Verwandten, erſt wenn das neu aufſchießende Nöhricht geeignete Höhe erlangt hat, alſo frühſtens Ende Maï, meiſt erſt um Mitte Juni, gewöhnlich geſellig auf einem Brutplaße, auh wenn dieſer nur ein kleiner Teich iſt. Das Neſt ſteht durchgehends auf der Waſſerſeite des Nöhrichts und nie tief im Rohre, im Gegenteile oft ſehr frei, faſt immer über dem Waſſer und an oder rihtiger zwiſchen 4, ſeltener 9, höchſtens 6 Rohrſtengeln, welche in ſeine Wandungen eingewoben ſind oder dieſe durchbohren, regelmäßig in einer Höhe, bis zu welcher das Waſſer niht emporſteigt, auh wenn es ungewöhnlih anſchwellen ſollte, ſelten einen vollen Meter über dem Waſſerſpiegel. WahrheitSliebende Forſcher haben beobachtet, daß die Rohrſänger ihrer Umgegend in gewiſſen Jahren, ſcheinbar ohne alle Veranlaſſung, ihre Neſter viel höher anlegten als ſonſt, und anfangs darüber die Köpfe geſchüttelt; da mit einem Male, lange nachdem das Neſt fertig war, trat andauerndes Regenwetter ein, und der Stand der Teiche oder Flüſſe erhob ſih hoh über das gewöhnliche Maß: die Neſter aber blieben verſchont, während ſie überflutet worden wären, hätten die Vögel ſie ebenſo niedrig aufgehängt wie ſonſt! Ausnahmsweiſe, und niht immer dur<h Wohnungsnot veranlaßt, brütet der Droſſelrohrſänger auh außerhalb des Röhrichts, in Gebüſchen oder hohen Teichbinſen ſein Neſt anlegend, ebenſo wie er an verſchiedene Verhältniſſe, beiſpielsweiſe hart an ſeinen Brutpläßen vorüberraſſelnde Eiſenbahnzüge, ſih leiht gewöhnt. Das Neſt ſelbſt iſt viel höher als breit, di>éwandig und der Rand ſeiner Mulde einwärts gebogen. Die Wandungen beſtehen aus dürren Grasblättern und Halmen, welche nah innen feiner werden und mit einigen Würzelchen die Ausfütterung bilden. Fe nah dem Standorte werden die Blätter verſchieden gewählt, auh wohl mit Baſtfaden von Neſſeln, mit Weiderih, Samenwolle und ſelbſt mit Raupengeſpinſt, Hanf- und Wollfaden untermiſcht, oder tro>kene Grasriſpen, Rosmarinkronen, Pferdehaare und dergleichen zur inneren Ausfütterung benußt. Das Gelege, welches gewöhnlih aus 4—s5 Eiern beſteht, iſt ſelten vor Mitte Juni vollzählig; die Eier, welche 22 mm lang, 15 mm did, auf bläulihem oder graugrünlihweißem Grunde mit ſehr dunkel olivenbraunen, aſchgrauen und ſchieferfarbigen Fle>en, Punkten und Schmigen faſt gleihmäßig bededt find, werden 14—15 Tage eifrig bebrütet. Beide Eltern nahen ſih dem Störenfriede am Neſte bis auf wenige Schritte, verſte>en ſich und erſcheinen abwechſelnd vox ihm, umfliegen ihn au< wohl mit kläglichem Geſchreie, ſind aber ſo empfindlih gegen derartige Störungen, daß ſie, wenn auh nicht in allen Fällen, noh wenig bebrütete Eier verlaſſen, wenn man das Neſt wiederholt beſucht. Die Jungen werden mit Kerbtieren groß gefüttert, von den Alten zärtlich geliebt und vor Gefahr gewarnt, auh nah dem Ausfliegen noh lange geleitet. Dieſer Fürſorge bedürfen ſie um ſo mehr, als ſie, ehe ſie ordentlih fliegen