Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

136 Erſte Ordnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

zu erlegen als zu ſchen. Locton wie Geſang ſind ſo bezeichnend, daß man den Seidenſänger, wenn man ihn einmal gehört, niemals mit einem anderen Vogel verwechſeln kann. Der Lockton klingt wie „tſhe> tſche> tſ{he>“; der Geſang ähnelt dem Beginne des Nachtigallſ<lages oft in ſo hohem Grade, daß man getäuſcht werden könnte, würde das ganze Lied mit der einzigen Strophe niht auh beendet ſein. Hansmann überſeßt die Laute mit „id ziwitt ziwoid“, Graf von der Mühle mit tſchifut tſchifut tſchifut“/ einem Worte, welches von den Türken als Schimpfname der Juden gebrau<ht wird und unſerem Vogel bei den griechiſhen Hirten Haß eingetragen hat, weil fie glauben, daß der Seidenſänger ſie als Fuden bezeichnen und {mähen wolle.

Das Neſt ſteht ziemlich niedrig über dem Boden in undurdringlichem Geſträuche, ift tief taſſenförmig, wird aus Pflanzenreſten, Stengeln und Blättern in halbmoderigem Zuſtande hergeſtellt, inwendig mit feinem Graſe und Ziegenhaaren oder Schaf- und Baumwolle ausgefleidet und enthält {hon zu Ende des April das volle, aus 4—5 eintönig roten, 20 mm langen, 15 mm di&en Eiern beſtehende Gelege. Auf die erſte Brut folgt im Laufe des Sommers regelmäßig eine zweite. Über die Erziehung der Zungen finde ih keine Angabe; wohl aber erwähnt Krüper, daß ſtrenge Winter unter den Seidenrohrſängern oft arge Verheerungen anrichten.

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Die Gartenſänger oder Baſtardnachtigallen (Hypolais) ſind über das nördlih altweltliche, indiſche und äthiopiſhe Gebiet verbreitete, verhältnismäßig große Grasmücen mit großem, ſtarkem und breitem, an den Schneiden ſcharfem, jedo< kaum eingezogenem Schnabel, kräftigen Füßen, mäßig langen Flügeln, in denen die dritte oder vierte Shwinge die anderen überragen, und mittellangem oder kurzem, ſeicht ausgeſhnittenem Shwanze.

Der Gartenſänger, auh Gartenlaubvogel, Spötterling, Hagſpat, Baſtardnahtigall, Mehlbruſt, Titerithen und Schakerutchen genannt (Hypolais philomela, icterina, hortensis, vulgaris und salicaria, Motacilla und Ficedula hippolais. Sylvia hypolais, hippolais, icterina, obscura und xanthogastra, Salicaria vulgaris), iſt auf der Oberſeite olivengrüngrau, auf dem Zügel und der unteren Seite blaß {wefelgelb, in der Dhrgegend, auf den Hals- und Körperſeiten {hwa<h ölgrau verwaſchen; die Schwingen ſind olivenbraun, auf der Außenfahne grünlich, innen breit fahlweiß geſäumt die Schwanzfedern lichter als die Shwingen, außen wie dieſe geſäumt. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel graubraun, an der Wurzel der Untexrkinnlade rötlichgelb, der Fuß lichtblau. Die Länge beträgt 14,5, die Breite 25, die Fittihhlänge 9, die Shwanzlänge 5s em.

Als Vaterland des Gartenſängers müſſen wir Mitteleuropa anſehen. Von hier aus verbreitet er ſih nördlih bis Skandinavien, während er im Süden des Erdteiles dur Verwandte vertreten wird. Jn Großbritannien kommt er niht vor; in Spanien haben wir ihn ebenſowenig beobahtet; Griechenland beſucht er nur zur Zugzeit.

Jn Südeuropa, von Portugal an bis Dalmatien, wie in Nordweſtafrika wird der Gartenſänger durch den etwas kleineren und lebhafter gefärbten Sprahmeiſter (Hy polais polyglotta, Sylvia und Ficedula polyglotta) vertreten, welcher ſi< außer dur die angegebenen Merkmale noh dadurch von ihm unterſcheidet, daß die dritte und vierte Shwinge, nicht die dritte allein, die längſte iſt. Die Länge beträgt 13,7, die Breite 20, die Fittichlänge 6,8, die Shwanzlänge 5,5 cm.

Unter ſeinen Verwandten iſt der Gartenſänger der weihlihſte und zärtlichſte. Er erſcheint bei uns zu Lande erſt, wenn alle Bäume ſi belaubt haben, niemals vor Ende April/ und verweilt in Deutſchland höchſtens bis zu Ende Auguſt. Den Winter verbringt ex in