Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

138 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

iſt ein ſanftes „Te>, te>“, welchem ein wohllautendes „Terüt“ angehängt wird, wenn beſonderes Verlangen, Eiferſucht oder Zorn, auh wohl drohende Gefahr ausgedrü>t werden ſollen; ſeinen Ärger oder vielleiht auch ſeine Kampfesluſt pflegt er durc die Silben „hettetlett” fundzugeben. Der Geſang ſpricht niht jedermann an und wird deshalb verſchieden beurteilt; auch ſingt keineswegs ein Gartenſänger wie der andere; dieſer iſt vielleicht ein ausgezeihneter Spötter, welcher die verſchiedenſten Laute der umwohnenden Vögel in ſeine Weiſe miſcht, jener nur ein erbärmlicher Stümper, welcher bloß wenige wohllautende Töne vorträgt und die minder angenehmen gewiſſermaßen zur Hauptſache maht. Jh muß ſagen, daß ih den Geſang anſprechend finde und die abgebrohenen und ſhwagtenden Laute über die herrlich. flöôtenden vergeſſe. Er ſingt von der Morgendämmerung an bis gegen Mittag hin und abends bis zu Sonnenuntergange, am eifrigſten ſelbſtverſtändlich, während das Weibchen brütet oder wenn ein Nebenbuhler zum Kampfe auffordert, läßt ſih auch ſo leicht niht beirren, niht einmal durch einen Fehlſ<huß zum Schweigen bringen, als wolle er, wie Naumann meint, „den mißlungenen Anſchlag auf ſein Leben aller Welt verkündigen oder den ungeſci&ten Shüßen verhöhnen“. Zwei Männchen, welche nebeneinander wohnen, eifern ſih gegenſeitig niht bloß zum Geſange an, ſondern raufen ſi<h auch ſehr häufig. „Es darf ſih“, ſagt Naumann, „Fein anderer ſeiner Art bli>en laſſen; er wird ſogleih mit grimmigen Biſſen verfolgt und ſofort wieder aus dem Gebiete gejagt. Der Eindringling widerſeßt ſi aber meiſtens, und dann gibt es heftige Schlägereien, ſo daß man niht ſelten ein Paar ſolcher Zänker, welche ſi< gepa>t haben, im Streite zur Erde herabpurzeln, hierüber dann aber, gewöhnlich erſhre>t, plößlih auseinander fahren und nun einen jeden ſeinem Standorte zueilen ſieht. Auch andere Vögel, welhe um ſie wohnen, ne>en und jagen ſie gern.“

Die Hauptnahrung beſteht aus Käferhen und anderen kleinen fliegenden Kerbtieren, welche von den Blättern abgeleſen oder aus der Luft weggefangen werden. Deshalb ſieht man ihn au< häufig in den Baumkronen umherflattern oder ſelbſt über die ſhüßenden Zweige hinausfliegen. Wenn die Kirſchen reif werden, beſucht er die fruchtbeladenen Bäume und exlabt ſi< an dem weichen Fleiſche der ſüßen Früchte; wenn es Johannisbeeren gibt, erhebt er ſi von ihnen ſeinen Zoll: irgendwie nennenswerten Schaden richtet ex hierdur<h aber niht an.

Ungeſtört brütet er nux einmal im Fahre und zwar zu Ende Mai oder zu Anfang Juni. Das Neſt ſteht regelmäßig in dem dichteſten Buſche ſeines Gebietes, am liebſten in Flieder-, Haſelz, Hartriegel-, Faulbaum-, ſelten oder nie in Dornen tragenden Büſchen, nicht gerade verborgen, aber doh immer dur< das Laub verde>t und geſüßt. Es iſt ein zierlicher, beutelförmiger Bau, deſſen Außenwandung aus dürrem Graſe und Queenblättern, Baſtzfaſern, Pflanzen- und Tierwolle, Birkenſchalen, Raupengeſpinſt, Papier und ähnlichen Stofſen äußerſt kunſtreich und dauerhaft zuſammengefilzt und deſſen Fnneres mit einigen Federn ausgepolſtert und mit zarten Grashalmen und Pferdehaaren ausgelegt wird. Die 4—6 länglichen, 17 mm langen, 13 mm dien Eier ſind auf roſenrotem oder roſenrot-ölgrauem Grunde mit ſ{<wärzlihen oder rotbraunen Punkten und Äderchen gezeichnet. Männchen und Weibchen bebrüten ſie we<ſelweiſe, zeitigen ſie innerhalb 13 Tagen und füttern die ausgeſ{<hlüpften Jungen mit allerlei kleinen Kerbtieren auf.

Der Gartenſänger zählt zu den hinfälligſten Stubenvögeln, verlangt die ſorgſamſte Pflege und ausgewählteſte Nahrung, hält aber troßdem, zum Kummer aller Liebhaber, ſelten längere Zeit im Käfige aus; doch kenne ih Beiſpiele, daß einzelne mehrere Jahre ausdauerten, fleißig ſangen und leiht mauſerten. Solche werden ungemein zahm und zu einer wahren Zierde des Gebauers.

Bei Uns zu Lande verfolgt man den ebenſo munteren wie nüßlichen Vogel nicht, ſhüßt ihn eher, in einzelnen Gegenden unbedingt, und hat dadurch weſentli zu ſeiner Vermehrung