Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1
10 Ein Bli auf das Leben der Geſamtheit.
jo bedeutende Tiefen ſicherlih niht, erſcheint auh ſchon nah hötſtens 8 Minuten an der Oberfläche, um Luft zu ſ{höpfen. '
Einige Vögel, welche niht zu den Shwimmern zählen, ſind niht bloß fähig, zu ſ<wimmen und zu tauchen, ſondern auh auf dem Grunde des Waſſers umherzulaufen.
Noh eine Fertigkeit iſt den Vögeln eigen: viele von ihnen klettern und zwar ganz vorzüglich. Hierzu benußen ſie vorzugsweiſe die Füße, nebenbei aber auch den Schnabel und den Shwanz, bedingungsweiſe ſogar die Flügel. Die unvollkommenſte Art zu klettern ift die, welche die Papageien ausüben, wenn ſie mit dem Schnabel einen höher ſtehenden Zweig ergreifen, an ihm ſih feſthalten und den Körper nachziehen, die vollkommenſte die, welche wir von den Spechten beobachten können, bei denen nur noh die Füße und der S<{<wanz in Frage kommen. Einige flattern mehr in die Höhe, als ſie klettern, indem ſie bei jeder Auſwärtsbewegung die Flügel lüften und wieder anziehen, ſomit eigentlich emporfliegen und ſi dann erſt wieder feſthängen: in dieſer Weiſe verfährt der Mauerläufer während die Spechte ſi< hüpfend vorwärts bewegen, ohne die Flügel merklich zu lüften. Faſt alle Kletterer ſteigen nur von unten nach oben oder auf der oberen Seite der Äſte fort; einzelne aber ſind wirkli im ſtande, kfopfunterſt am Stamme hinabzulaufen und andere an der unteren Seite der Äſte hinzugehen.
Eine ausgezeihnete Begabung der Vögel bekundet ſich in ihrer lauten, vollen und reinen Stimme. Zwar gibt es viele unter ihnen, welche wenige Töne oder bloß unangenehm freiſchende und gellende Laute vernehmen laſſen; die Mehrzahl aber hat eine ungemein biegſame und klangreiche Stimme. Die Stimme ermöglicht reichhaltige Sprache und anmutigen Geſang. Jede eingehendere Beobahhtung lehrt, daß die Vögel für verſhiedene Empfindungen, Eindrücke und Begriffe beſondere Laute ausſtoßen, denen man ohne Übertreibung die Bedeutung von Worten zuſprechen darf, da ſich die Tiere nicht allein unter ſich verſtändigen, ſondern auch dem aufmerkſamen Beobachter verſtändlich werden, inſofern dieſer ſie verſtehen lernt. Sie lo>en oder rufen, geben ihre Freude und Liebe kund, fordern ſih gegenſeitig zum Kampfe heraus oder zu Schuß und Truß auf, warnen vor Feinden und anderweitiger Gefahr und tauſchen überhaupt die verſchiedenſten Mitteilungen aus. Und nicht bloß die Arten unter ſih wiſſen ſih zu verſtändigen, ſondern Bevorzugte auch zu minder Begabten zu reden. Auf die Mahnung größerer Sumpfvögel achtet das kleinere Strandgeſindel, eine Krähe warnt Stare und anderes Feldgeflügel, auf den Angſtruf einer Amſel lauſcht der ganze Wald. Beſonders vorſichtige Vögel ſhwingen ſih zu Wächtern der Geſamtheit auf, und ihre Äußerungen werden von anderen wohl beherzigt. Während der Zeit der Liebe unterhalten ſich die Vögel, ſhwaßend und koſend, oft in allerliebſter Weiſe, und ebenſo ſpricht die Mutter zärtlich zu ihren Kindern. Einzelne wirken gemeinſchaftlich in regelrehter Weiſe am Hervorbringen beſtimmter Säße, indem ſie ſih gegenſeitig antworten; andere geben ihren Gefühlen Worte, unbekümmert darum, ob ſie Verſtändnis finden oder niht. Zu ihnen gehören die Singvögel, die Lieblinge der Schöpfung, wie man ſie wohl nennen darf, diejenigen Mitglieder der Klaſſe, welche dieſer unſere volle Liebe erworben haben.
Solange es ſi< um reine Unterhaltung handelt, ſtehen ſih beide Geſchlechter in ihrer Sprachfertigkeit ungefähr gleich; der Geſang aber iſt eine Bevorzugung des männlichen Geſchlechtes, denn höchſt ſelten nur lernt es ein Weibchen, einige Strophen abzuſingen. Bei allen eigentlihen Sängern ſind die Muskeln am unteren Kehlkopfe im weſentlichen gleichartig entwi>elt; ihre Sangesfertigkeit aber iſt denno<h höchſt verſchieden. Fede einzelne Art hat ihre eigentümlihen Töne und einen gewiſſen Umfang der Stimme; jede verbindet die Töne in beſonderer Weiſe zu Strophen, welche ſih durch größere oder geringere Fülle, Rundung und Stärke der Töne leiht von ähnlichen unterſcheiden laſſen; das Lied bewegt ſi bei einzelnen in wenigen Tönen, während andere Oktaven beherrſhen. Werden die Geſangsteile