Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1
Entwi>elung im Eie. Jugendzeit. Gefieder. 17
rüdſichtlih der Brutdauer bei den verſchiedenen Arten: ein Strauß brütet länger als ein Kolibri, jener 55—60, dieſer 10—12 Tage; 18— 26 Zage mögen als eine mittlere Zeit angeſehen werden.
Zur Bildung und Entwi>kelung des Keimes im Eie iſt eine Wärme von 37,5—40 Grad Celſius Bedingung. Sie braucht niht von der Bruſt des mütterlichen Vogels aus83zugehen, ſondern kann, mit gewiſſen Beſchränkungen, beliebig erſeßt werden. Plinius erzählt, daß Zulia Auguſta, des Tiberius Gemahlin, in ihrem Buſen Eier ausgebrütet habe, und die alten Ägypter wußten bereits vor Tauſenden von Jahren, daß man die brütende Henne ‘durc tünſtlih erzeugte, gleihmäßig unterhaltene Wärme erſeßen könne. 37,5 Grad Celſius Wärme 21 Tage lang gleihmäßig unterhalten und in geeigneter Weiſe zur Einwirkung auf ein befruchtetes Hühnerei gebracht, liefern faſt unfehlbar ein Küchlein. Stoffwechſel, insbeſondere Zutritt der Luft, iſt zur Ausbildung des Keimes unerläßliche Bedingung: ein Ei, welches keinen Sauerſtoff aufnehmen kann, geht ſtets zu Grunde.
Vor dem Ausſchlüpfen bewegt ſich der junge Vogel hin und her und drü>t mit einem auf dem Schnabel befindlihen Hö>er gegen die Eiſchale; es entſtehen Riſſe, Lücken, indem fleine Schalenſtüe abſpringen; die Eiſchalenhaut reißt: das Vögelchen ſtre>t ſeine Füße, zieht den Kopf hervor und verläßt nun die zerbrochene Hülle.
Wenige Vögel gelangen im Cie zu ähnlicher Ausbildung wie beiſpiel8weiſe das Huhn; verhältnismäßig wenige ſind im ſtande, einige Minuten nah dem Auskriechen unter Führung der Mutter oder ſogar ohne jegliche Hilfe ſeitens der Eltern ihren Weg durs Leben zu wandeln. Gerade diejenigen, welche als Erwachſene die größte Beweglichkeit und Stärke beſizen, ſind in der Jugend ungemein hilflos. Die Neſtflüchter fommen befiedert und mit ausgebildeten Sinnen, die Neſtho>er na>t und blind zur Welt; jene machen nah dem Aus: friehen einen höchſt angenehmen Eindru>, weil ſie bis zu einem gewiſſen Grade vollendet ſind, dieſe fallen auf dur< Unanſehnlichkeit und Häßlichkeit. Die weitere Entwicelung bis zum Ausfliegen beanſprucht verſchieden lange Zeit. Kleinere Neſthocker ſind 3 Wochen nah ihrem Auskriechen flügge, größere bedürfen mehrere Monate, bevor ſie fliegen können, einzelne mehrere Jahre, bevor ſie ihren Eltern glei daſtehen. Denn die Jugendzeit des Vogels iſt niht mit dem Ausfliegen ſondern erſt dann beendet, wenn er das Alterskleid anlegt. Nicht wenige erhalten anfangs ein Federkleid, welches mit dem ihrer Eltern feine Ähnlichfeit zeigt; andere gleichen in der Jugend dem Weibchen, und die Unterſchiede, welche hinſihtlih des Geſchlechtes bemerkli< werden, zeigen ſi erſt mit Anlegung des Alterskleides. Einzelne Raubvögel müſſen eine Reihe von Jahren erlebt haben, bevor ſie alt, d. h. wirkli erwachſen, genannt werden können.
Alle Veränderungen, welche das Kleid erleidet, werden hervorgebracht dur Abreibung, Verfärbung und Vermauſerung oder Neubildung der Federn. Abreibung bedingt nicht immer Verringerung, im Gegenteile oft Erhöhung der Schönheit, denn durc ſie werden die unſcheinbarer gefärbten Spißen der Federn entfernt und deren lebhafter gefärbten Mittelſtellen zum Vorſchein gebracht. Die Verfärbung, eine bisher von vielen Forſchern geleugnete, jedo<h unzweifelhaft beſtehende Thatſache, bewirkt auf anderem, bis jezt noh nict erflärtem Wege Veränderungen der Färbung einzelner Teile des Gefieders. Junge Seeadler z. B. tragen in der Jugend ein ziemlih gleihmäßig dunkles Kleid, während im Alter wenigſtens der Schwanz, bei anderen Arten auch der Kopf weiß ausſieht. Weder die Steuer: noch die Kopffedern nun werden vermauſert, ſondern einfach verfärbt. Man bemerkt auf den breiten Steuerfedern, welche ſi< zu fortgeſeßten Beobachtungen ſehr günſtig erweiſen, zuerſt lichte Punkte; dieſe vermehren und vergrößern ſih, bleichen gleichzeitig ab, fließen endlich ineinander, und die Feder iſt umgefärbt. Wie viele Vögel ihr Jugendkleid dur Verfärbung allein oder dur Verfärbung und gleichzeitig ſtattfindende, teilweiſe Vermauſerung
Brehm, Tierleben. 83, Auflage. TY. 2