Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Mauſerung. Verfärbung. Alter. Tagewerk, 19

ihren We>ruf am Morgen, daß kaum 3 Stunden exforderlih waren, um ſie für die lange Tagesarbeit zu ſtärken. Ähnlich iſt es bei den meiſten Vögeln; nur die größeren Räuber, insbeſondere die Geier, ſcheinen ihre Shlafpläße ſpät zu verlaſſen.

Der Vogel, dem Stimme und Klang geworden, begrüßt den kommenden Morgen mit ſeinem Geſange, thut dies wenigſtens während der Paarungszeit, in welcher die Liebe ſein Weſen erregt und vergeiſtigt. Erſt nachdem er geſungen, beginnt er Nahrung zu ſuchen. Faſt alle haben zwei Hauptzeiten zum Freſſen, eine am Morgen, eine gegen Abend, und widmen die Mittagsſtunden der Ruhe, der Reinigung des Gefieders, der Ordnung ihrer Federn. Ausnahmen von dieſer Regel bemerken wir bei allen Vögeln, die hinſichtlich ihrer Nahrung mehr als andere auf einen günſtigen Zufall angewieſen ſind. Die Raubvögel freſſen gewöhnli<h nur einmal tägli, und diejenigen unter ihnen, welche nicht ſelbſt Beute gewinnen, ſondern einfah Aas aufnehmen, ſind feine8wegs immer ſo glü>lih, jeden Tag freſſen zu können, ſondern müſſen oft tagelang hungern. Fn den meiſten Fällen wird nur diejenige Speiſe verzehrt, welche der Tag erwerben ließ; einzelne aber, beiſpielsweiſe Würger, Spechte und Kleiber, tragen ſih Speiſeſhäße zuſammen und bewahren dieſe an gewiſſen Orten auf, legen ſih alſo förmlih Vorräte an, auch ſolche für den Winter. Nach der Mahlzeit wird ein Trunk und dann ein Bad genommen, falls niht Sand, Staub oder Schnee das Waſſer erſezen müſſen. Der Pflege ſeines Gefieders widmet der Vogel ſtets geraume Zeit, um ſo mehr, je ungünſtiger die Einflüſſe, denen jenes trogen muß, um ſo weniger, je beſſer die Federn im ſtande ſind. Nach jedem Bade tro>net er zunächſt durch Schütteln das Gefieder einigermaßen ab, ſträubt es, um dies zu beſchleunigen, glättet hierauf jede einzelne Feder, überſtreicht ſie mit Fett, welches er mittels des Schnabels ſeiner Bürzeldrüſe entnimmt, mit dieſem auf alle ihm erreichbaren Stellen aufträgt oder mit den Nägeln vom Schnabel abkraßt, um es den leßzterem niht erreihbaren Stellen einzuverleiben, au< wohl mit dem Hinterkopfe noch verreibt, ſtrählt und ordnet hierauf no<mals jede Fedex, hervorragende Shmufedern, Schwingen und Steuerfedern mit beſonderer Sorgfalt, ſchüttelt das ganze Gefieder wiederum, bringt alle Federn in die richtige Lage und zeigt ſi erſt befriedigt, wenn er jede Unordnung gänzlich beſeitigt hat. Nach ſolcher Erqui>kung pflegt er in behaglicher Ruhe der Verdauung; dann tritt er einen zweiten Jagdzug. an. Fiel auch dieſer günſtig aus, ſo verfügt er ſih gegen Abend nach beſtimmten Pläßen, um ſi hier der Geſellſchaft anderer zu widmen, oder der Singvogel läßt noh einmal ſeine Lieder mit vollem Feuer ertönen; dann endlih begibt er ſich zur Ruhe, entweder gemeinſchaftlich mit anderen nach beſtimmten Schlafpläßen oder während der Brutzeit in die Nähe ſeines Neſtes zur brütenden Gattin oder zu den unmündigen Kindern, falls ex dieſe niht mit ſich führt. Das Zubettgehen geſchieht niht ohne weiteres, vielmehr erſt nah längeren Beratungen, nah vielfahem Schwaten, Lärmen und Plärren, bis endlih die Müdigkeit ihr Recht verlangt. Ungünſtige Witterung ſtört und ändert die Negelmäßigkeit der Lebensweiſe, da das Wetter auf den Vogel überhaupt den größten Einfluß übt.

Mit dem Aufleben der Natux lebt au der Vogel auf. Sein Fortpflanzungsgeſchäft fällt überall mit dem Frühlinge zuſammen, in den Ländern unter den Wendekreiſen alſo mit dem Beginne der Regenzeit, welche niht dem Winter, ſondern unſerem Frühlinge entſpricht. Abweichend von anderen Tieren leben die meiſten Vögel in geſ<loſſener Ehe auf Lebenszeit und nur wenige von ihnen, gleih den Säugetieren, in Vielweiberei oder richtiger Vielehigkeit da eine Vielweiberei einzig und allein bei den Straußen ſtattzufinden- ſcheint. Das Pärchen, welches ſi einmal vereinigte, hält während des ganzen Lebens treuinnig zuſammen, und nur ausnahmsweiſe geſchieht es, daß einer der Gatten die Geſetze einer geſchloſſenen Ehe mißachtet. Da es nun unter den Vögeln mehr Männchen als Weibchen gibt, wird es erklärlih, daß von jeder Vogelart beſtändig einzelne Funggeſellen oder Witwer

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