Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

34 Ein Bli auf das Leben der Geſamtheit.

wir gern die Gaſtfreundſchaft, wel<he wir den Säugern und noh mehr den Kriechtieren und Lurchen verſagen, gewähren ſie ihnen, au< wenn ſie uns wenig Nuten bringen; unter ihnen werben wir uns mehr Haus- und Stubengenoſſen als unter allen übrigen Tieren: ſelbſt wenn wir uns anſchi>en, ihnen mit Neg und Sehlinge nachzugehen, wenn wir uns mit ihrer Jagd beſchäftigen, erſtirbt nicht die Zuneigung, welche wir gegen ſie hegen. Sie ſind unſere Schoßkinder und Lieblinge. FJhr Leben iſt von hoher Bedeutung für unſer Beſibtum und Wohlbefinden. Die Vögel bilden ein unentbehrliches Glied in der Reihe der Weſen; ſie ſind erfolgreiche Wächter des Gleichgewichtes in der Tierwelt und wehren den Übergriffen der Angehörigen anderer Klaſſen, insbeſondere der Kerbtiere, denen preisgegeben die Natur vielleiht veröden würde. Der Nuten, welchen ſie uns bringen, läßt ſi allerdings weder bere<hnen noh abſägen, weil hierbei noh ungelöſte Fragen in Betracht kommen: wohl aber dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß dieſer Nugzen größer iſt als der Schade, welchen die Vögel uns zufügen. Und darum thun wir wohl, ſie zu hegen und zu pflegen. Unſere heutige Land- und Forſtwirtſchaft ſ{hädigt gerade die uns beſonders werten Vögel: denn ſie raubt oder ſ<hmälert ihre Aufenthaltsorte, Brutſtätten und Wohnpläße, zwingt ſie daher, auszuwandern und anderswo ein zuſagendes Heim zu ſuchen. Hier und da tritt wohl auh der Menſch unmittelbar ihnen entgegen, indem er ihre Neſter plündert und ihnen ſelbſt mit Gewehr, Neb und Schlinge nachſtellt; doh fallen die Verluſte, welche dem Vogelbeſtande durh Jagd und Fang zugefügt werden, kaum ins Gewicht gegenüber der Schädigung, welche der Beſtand dur unſere gegenwärtige Ausnußung des Grundes Und Bodens erleidet. Hege und Pflege der heimiſchen Vögel wird ſi< alſo nur dann als erſprießlih erweiſen, wenn wix auf natürlichem oder künſtlihem Wege Aufenthalsorte, Wohnpläße und Brutſtätten ſchaffen, die no< vorhandenen mindeſtens erhalten. „Es iſt dringend nötig“, ſchreibt G. Die>, „der Vogelwelt auh unmittelbar helfend entgegenzukommen. Mit der fortſchreitenden Entwickelung der Kultur verſchwinden mehr und mehr die Wälder, der A>erbau beanſprucht jedes Stü>kchen Land, welches nur irgend anbauwürdig erſcheint, und vernichtet ganz widerſinnigerweiſe in ſeinem Gebiete alle He>en, Baumgruppen und Gebüſche. Wohin ſoll das \{<ließli<h führen, wenn ſo die Vögel nah und nach aller Zuflucht8orte beraubt werden, die ihnen Brutpläße, Nahrung und Schug, die Haupterforderniſſe ihres Daſeins, gewähren? — — Feder Grundbeſiger, der ein Herz hat für die bedrängten Vögel und die Mittel, Anpflanzungen von Gehölzen auszuführen, ſei eë im Garten oder Parke, im freien Felde oder an Waſſerläufen, ſollte daher hierzu vorzugsweiſe oder ausſchließlih ſolche Gehölze wählen, welche den Vögeln am beſten Schuß und Nahrung zu bieten im ſtande ſind.“ Hierzu gibt Die> im Fahrgange 1876 der „Monatsſ<hrift des Sächſiſh-Thüringiſchen (jeßt Deutſchen) Vereines für Vogelkunde und Vogel[huß“ eine genaue und ſehr beherzigenswerte Anleitung zur Anlage von Vogelſchußgehölzen. „Möge ein jeder nur immerhin pflanzen oder Pflanzungen begünſtigen“, mahnt C. Bolle. „Es gehört niht zu viel Geduld dazu, die Entwi>kelung abzuwarten. Die Jahre rollen dahin, und es wird ſih die Freude an den Schöpfungen im Laufe der Zeit nur mehren und jedes Frühjahr neuen Genuß bringen. Pflanzt nur, die Vögel werden ſih ſchon einſtellen.“ Wir müſſen demnach geſicherte Wohn- und Niſtſtätten erhalten oder ſchaffen. Nur in dieſem Sinne will ih die ernſte Mahnung verſtanden wiſſen, welche ih {hon ſeit Jahren allen verſtändigen Menſchen ans Herz lege: Schuß den Vögeln!