Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Erdſänger: Allgemeines. 41

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unteren Kehlkopfe entwi>elt ſind oder niht. Wir werden dieſer Auffaſſung im Nachſtehenden Rechnung tragen.

Bei den Singvögeln (Oscines), der großen Mehrzahl aller Sperlingsvögel, iſt der untere Kehlkopf vollſtändig entwi>elt und meiſt mit fünf Paaren auf der Vorder- und Rük ſeite verteilter Muskeln ausgerüſtet. Äußerlich laſſen ſie ſih daran erkennen, daß von den zehn Handſchwingen die erſte kurz, verkümmert oder gar niht vorhanden, der Lauf aber vorn geſtiefelt, das heißt mit verſhmolzenen großen Platten gede>t, und auf der Seite mit einer ungeteilten Schiene bekleidet iſt.

Reichenow folgend, ſtellen wir unter den Singvögeln die Sänger (Sylyiidae) obenan. Nath genanntem Forſcher ſind es die vollkommenſten, weil am gleihmäßigſten ausgebildeten Vögel. Sie werden gekennzeihnet dur grasmüd>en- oder droſſelförmige Geſtalt, furzen und dünnen oder nur mäßig ſtarken, pfriemenförmigen oder ſ<wach gebogenen Schnabel, wohlentwidelte, ſpißige Flügel, mäßig langen Shwanz, der nur wenig länger oder fürzer iſt als die Flügel, und die Mittelzehe an Länge etwas übertreffenden Lauf. Die Familie umfaßt nah Reichenow etwa 370 Arten und hat Vertreter in allen Erdteilen, verhältnismäßig die meiſten im gemäßigten Gürtel der Alten Welt.

Die Sänger zerfallen nah RNeichenow in zwei Abteilungen, denen er den Rang von Unterfamilien zuſpricht. Die erſte umfaßt die Erdſänger (Turdinae), deren Sauf vorn von einer ungeteilten Hornſchiene bede>t wird, während ſih junge Tiere durch gefle>tes Gefieder von den Eltern unterſcheiden. Erdſänger finden ſi in allen Erdteilen, etwa 280 Arten kommen nah Reichen ow auf dieſe Unterfamilie.

Die Erdſänger bewohnen die verſchiedenartigſten Örtlichkeiten, obwohl die Mehrzahl von ihnen im Walde ſeßhaft iſt. Als für ſie bezeihnend mag erwähnt ſein, daß die meiſten fi viel auf dem Boden aufhalten, gleichviel ob er von Pflanzen überde>t oder ſteinig oder felſig iſt, im tiefſten Schatten liegt oder von der glühenden Sonne beſtrahlt mird. Hochbegabt in jeder Beziehung, gewinnen ſie durch meiſt vorzüglichen Geſang unſere beſondere Zuneigung, erweiſen ſi zudem nur nüßlih und verdienen daher das allgemeine Wohlwollen, welches ihnen entgegengebracht wird. Kerbtiere, zumal deren Larven, allerlei Weichtiere ſowie Erd- und Waſſergewürm im weiteſten Umfange, während der Fruchtzeit nebenbei Beeren verſchiedener Art bilden ihre Nahrung; faſt alle, welche höhere Breiten bewohnen, zählen daher zu den Zug- und Wandervögeln, welche früher oder ſpäter im Herbſte verſchwinden und entgegengeſeßt im Frühjahre zurüfehren, um bald nach ihrer Ankunft zur Fortpflanzung zu ſchreiten. Neſt und Eier ſind ſo verſchieden, daß etwas allgemein Gültiges faum geſagt werden kann, auch die Art und Weiſe, wie ſie ihre Jungen erziehen, iſt vielfah verſchieden.

Feinde der Erdſänger ſind alle Raubtiere, welche dieſelben Aufenthaltsorte mit ihnen teilen. Zu ihnen geſellt ſi< der Menſch, welcher ſie unzweifelhaft am empfindlichſten ſ{hädigt, weniger indem er alte und junge fängt, um fie im Käfige zu halten oder auh wohl zu verſpeiſen, ebenſowenig, indem er ihnen die Eier raubt, als vielmehr indem er ihnen die zuſagenden Wohnpläge ſchmälert. Der Forſcher oder kundige Liebhaber, welcher für ſeine Zwecke Erdſänger tötet oder fängt, iſt es niht, welcher ihrem Beſtande ſchadet: der Land- und