Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

48 Erſte Drdnung: Baumvögel; erſte Familie: Sänger.

Dex vielen Feinde halber, welche den Nachtigallen, und zumal ihrer Brut, nachſtellen, thut der vernünftige Menſch nur ſeine Schuldigkeit wenn er den edlen Sängern Plätze ſchafft, auf denen ſie möglichſt geſhütt leben können. Jn größeren Gärten ſoll man, wie der hochverdiente Lenz rät, dihte Heden pflanzen, aus Stachelbeerbüſchen beſtehende zum Beiſpiel, und alles Laub, welches im Herbſte abfällt, dort liegen laſſen. Derartige Pläße werden bald aufgeſucht, weil ſie allen Anforderungen entſprechen. Das dichte Geſtrüpp ſhüßt, das Laub wird zum Sammelplaße von Würmern und Kerfen und verrät raſchelnd den ſich nahenden Feind. Von vielen Kennern wird auch die Amſel als ein mittelbarer oder unmittelbarer Feind der Nachtigall wie anderer Sänger betrachtet, deſſen Einzug in Gärten und Parks jene verdränge. Fndeſſen iſt dieſer Meinung auh vielfach widerſprochen worden, und Liebe hat nachgewieſen, daß, wenigſtens in Thüringen, die Nachtigall gewiſſe Gegenden ſhon viele Jahre verlaſſen hatte, bevor die Amſel anfing, als Park: und Gartenvogel einzuziehen. Das Auſtreten dieſer kann mithin niht überall als die Urſache des Wegbleibens jener angeſehen werden, um ſo weniger, als beide Vögel an anderen Orten einträhtig nebeneinander hauſen. Noh mehr als vor vierbeinigen und geflügelten Räubern hat man die Nachtigallen vor nihtsnußigen Menſchen, insbeſondere gewerbSmäßigen Fängern, zu wah-" ren und dieſen das Handwerk zu legen, wo und wie man immer vermag. So lug die unvergleihlihen Sänger ſind, ſo wenig ſcheuen ſie ſi vor Fallen, S<hlingen und Neten; auch dur das einfachſte Fangwerkzeug ſind ſie zu berüen.

Alte Nachtigallen, welche eingefangen werden, wenn ſie ſih ſhon gepaart haben, ſterben regelmäßig auch bei der beſten Pflege, jüngere, vor der Paarung ihrer Freiheit beraubte ertragen die Gefangenſchaft nur dann, wenn ihnen die ſorgſamſte Wartung zu teil wird. Wer ſchlagende Nachtigallen in ſeinem Garten, von ſeinem Fenſter aus hören kann, braucht ſie niht ün Käfige zu halten; wer dagegen dur ſeinen Beruf an das beengende Zimmer gebannt iſt, wer keine Zeit oder keine Kraft hat, die herrliche Sängerin draußen unter freiem Himmel zu hören, und die rechte Liebe in ſich fühlt, mag unbeanſtandet nac wie vor ſeine Nachtigall pflegen.

Als nächſte Verwandte der Nachtigallen betrachtet man die Blaukehl<hen (Oyanecula). Zhr Leib iſt ſlank, der Schnabel geſtre>t, vor den Naſenlöchern etwas zuſammengedrückt, daher hohrüd>ig, vorn pfriemenſpibig, der Fuß hoh und dünn, der Fittich kurz und ziemlich ſtumpf, in ihm die dritte und vierte Shwinge gleichlang, der Shwanz mittellang, das Gefieder lo>er, ſeine Färbung verſchieden nah Geſchlecht und Alter.

Bei den Männchen der Blaukehlchen iſt die Oberſeite tief erdbraun, die Unterſeite ſhmußigweiß, fſeitlih und hinterwärts graubraun überlaufen, die Kehle aber prachtvoll laſurblau, mit oder ohne andersfarbigem Sterne, nach unten hin in eine ſhwarze Binde übergehend, welche dur ein ſ<males, lihtes Bändchen von einem halbmondförmigen Bruſtfle>en geſchieden wird, ein Streifen über dem Auge, welcher auf der Stirn zuſammenſließt, weißlich, der Zügel ſhwärzlih; die Shwingen ſind braungrau, die Shwanzfedern, mit Ausnahme der mittleren, gleihmäßig ſhwarzbraun, von der Wurzel an bis zur Hälfte lebhaft roſtrot, gegen die Spiße hin dunkelbraun. Das Auge iſt dunkelbraun, der Shnabel ſ{<hwarz, der Fuß auf ſeiner Vorderſeite grünlich-, auf der Hinterſeite gelblihgrau. Bei den Weibchen ſind alle Farben bläſſer, und die Kehlfärbung iſt höchſtens angedeutet. Die Fungen ſind oben auf dunklem Grunde tropfenartig roſtgelb gefle>t, unten längsgeſtrichelt; ihre Kehle iſt weißlich. Die Länge beträgt ungefähr 15, die Breite 22, die Fittichlänge 7, die Shwanzlänge 6 cm.

Die verſchiedenen Arten ſind hauptſächlich an der Kehlfärbung zu erkennen. So zeigt das Männchen des Tundra-Blaukehlchens (Prithacus suecicus, Cyanecula sguecica,