Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Blaukehlchen: Aufenthalt. Weſen. Stimme. Nahrung. Neſt. 51

legt es unendliche Lebensfreudigkeit und beneidenswerten Frohſinn an den Tag, iſt, ſolange es ſein tägliches Brot findet, beſtändig guter Laune, heiter, vergnügt und bewegungsluſtig, im Frühlinge auch ſingſertig. Mit anderen Vögeln lebt es im Frieden, mit ſeinesgleichen ne>t es ſi gern; aus ſolhem Spiele kann aber bitterer Ernſt werden, wenn die Liebe und mit ihr die Eiferſucht rege wird. Dann mag es geſchehen, daß zwei Männchen einen Zweikampf beginnen und mit größter Erbitterung fortführen, ja, niht eher voneinander ablaſſen, als bis der eine Gegner exlegen iſt. Zwei Blaukehlhen, welche zuſammen ein Zimmer, einen Käfig bewohnen, geraten oft miteinander in Zwieſpalt und ſtreiten ſih zuweilen jo heftig, daß eines unter den Biſſen des anderen verendet.

Das ſo vielen Erdſängern geläufige „Tak tak“ iſt auh die Lockſtimme des Blaukehlcens, ein ſanftes „Fied fied“ der Laut der Zärtlichkeit, ein unnachahmliches Schnarren der Ausdru> des Zornes. Der Geſang iſt, nach der übereinſtimmenden Verſicherung meines Vaters Naumanns, Päßlers und anderer, welche ſelbſtändig beobachteten, je nah der Art verſchieden. Am beſten und fleißigſten ſingt das Weißſternblaukehlchen, am ſ{<le<teſten das Tundrablaukehlchen. Bei ihm iſt der Schlag, laut Naumann, ſehr bezeihnend in mehrere kurze Strophen abgeteilt, zwiſchen denen kleine Pauſen gehalten werden. Einige dieſer Strophen ſind aus hellpfeifenden, ſanften und ſehr angenehmen Tönen zuſammengeſeßt, welche aber dadur<h ſehr verlieren, daß ſie ſehr oft wiederholt werden, ehe eine neue Strophe anfängt. Die größte Eigenheit in dieſem Geſange iſt ein leiſes, nur in der Nähe vernehmbares Shnurren zwiſchen den lauten Tönen, wodur<h man zu glauben verleitet wird, der Vogel ſänge mit doppelter Stimme. Faſt alle Männchen nehmen in ihren urſprünglichen Geſang Töne oder ſelb Strophen aus den Liedern anderer Vögel, auh wohl Schreie und Rufe nicht ſingfähiger Tiere auf: ſo hat Naumann das „Biswit“ der Nauhſhwalbe, das „Pikperwik“ der Wachtel, den Lo>ruf des Finken und Sperlinges, Töne aus dem Geſange der Nachtigall, der Grasmüen, Laub- und Schilfſänger, das Gekreiſh des Fiſchreihers, das Quaken des Laubfroſches von ſingenden Weißſternblaukehlhen nahahmen hören. Daß dieſe Spöttergabe auh anderswo bemerkt worden iſt, beweiſen die Lappen, welche das Tundrablaukehl: cen den Hhundertzungigen Sänger“ nennen. Zum Singen wählt das Männchen gewöhnlich einen erhabenen Sigort; doh trägt es ſeine Lieder au< vom Boden aus vox, ſingt ſogar im Laufen und, wie in der erſten Morgenfrühe, noch ſpät des Abends. Während des Singens wippt es viel ſeltener als ſonſt, begleitet wenigſtens niht jede Strophe mit einer Bewegung des Schwanzes, wie es beim Ausſtoßen des Lo>rufes regelmäßig zu thun pflegt.

Die Nahrung beſteht in Gewürm und Kerfen allerlei Art, wie ſie feuchte Örtlichkeiten beherbergen, im Herbſte auch in Beeren. Jn der Tundra nährt ſich die dort wohnende Art zeitweilig faſt ausſ<hließli<h von Mücken und deren Larven.

Das Neſt ſteht nahe am Waſſer, meiſt am Ufer von Gräben oder Vächen, nah Hinz ſtets auf der Seite welche die Morgen- oder Mittagsſonne beſcheint, auf oder dicht über dem Boden, in Erdhöhlen, welche es halb verde>en, zwiſchen Gewurzel oder Geſtrüpp, iſt ziemlich gut gearbeitet, verhältnismäßig groß, oben ſtets offen, auf einer Grundlage von dürrem Weidenlaube und Reiſig aus Halmen und feinen Pflanzenſtengeln erbaut und innen mit zarten Hälmchen, in nördlichen Gegenden auh wohl mit Haaren und Federn ausgefüttert. Mitte Mai findet man in ihm 6—7 ſehr zartſchalige, licht blaugrüne, mit rotbraunen Punkten gefle>te oder am ſtumpfen Ende bräunlih gewölkte Eier, die 20 mm lang und 16 mm di ſind. Die Bebrütung währt etwa 2 Wochen und wird von beiden Alten abwechſelnd beſorgt; die Jungen, denen die Eltern allerlei Gewürm und kleine Kerfe zutragen, verlaſſen das Neſt, ehe ſie no< fliegen können, und rennen anfänglich mit der Hurtigkeit der Mäuſe auf dem Boden dahin. Die Eltern ſchreiten in günſtigen Sommern wahrſchein-

lih zu einer zweiten Brut. iL AN