Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Rotkehlchen. Hausrotſ<hwanz. 57

auch eine ſehr große Höhlung teilweiſe ausgefüllt wird, Erdmoos, tro>ene Pflanzenſtengel und Blätter oder Moos allein werden zu den Außenwandungen verwoben, zarte Würzelchen, Hälmchen, Haare, Wolle, Federn zum inneren Ausbaue zierlih zuſammengeſchichtet. Bildet die Höhlung nicht zugleich eine Dee über dem Neſte, ſo wird eine ſolche gebaut und dann ſeitlih ein Eingangsloh angelegt. Ende April oder Anfang Mai ſind die 5—7, 20 mm langen, 15 mm dien, zartſhaligen, auf gelblihweißem Grunde mit dunkleren, roſtgelblihen Punkten über und über bede>ten Eier vollzählig; beide Eltern brüten nun abwechſelnd, zeitigen ſie in etwa 14 Tagen, füttern die Jungen raſh heran, führen und leiten ſie nah dem Ausfliegen noh etwa 8 Tage lang, überlaſſen ſie ſodann ihrem eignen Geſchike und ſchreiten, falls die Witterung es geſtattet, zu einer zweiten Brut. Wenn man ſih dem Neſte oder den eben ausgeflogenen Fungen nähert, ſtoßen die Alten ihre Lockſtimme und den Warnungsruf „ſth“ wiederholt aus und gebärden ſih ſehr ängſtlih; die Jungen, deren Gezwitſcher man bisher vernahm, ſchweigen auf dieſes Zeichen hin augenbli>li< ſtill und klettern mehr, als ſie fliegen, im Gezweige empor.

Anfänglih werden die Fungen mit allerlei weichem Gewürme geatßt, ſpäter erhalten ſie dieſelbe Nahrung, welche die Alten zu ſih nehmen: Kerfe aller Art und in allen Zuſtänden des Lebens, Spinnen, S<hne>en, Regenwürmer 2c.; im Herbſte erlabt ſih alt und jung an Beeren der Wald- und Gartenbäume oder Sträucher. Fn Gefangenſchaft gewöhnt ſich das Notkehlchen faſt an alle Stoffe, welhe der Menſch genießt.

Nach vollendeter Brutzeit, im Juli oder Auguſt, mauſern die Rotkehlchen; nahdem das neue Kleid vollendet, rüſten ſie ſi<h allgema<h zum Wegzuge, „Wenn man in der Zugzeit des Abends im Zwielichte in einem Walde iſt“ ſchildert Naumann, „hört man ihre fröhlien Stimmen aus jedem Strauche erſchallen, anfänglih nahe an der Erde, dann immer höher, bis ſie die Baumwipfel erreichen. Hier verſtummen ſie; denn ſowie der lezte Schein des Tages verſchwindet, wird alles ſtill im Walde, und man vernimmt dann ihre Stimme nur in den Lüften. An ihr kann man bemerken, daß ſie vom Aufgange der Sonne gegen deren Niedergang ziehen, oder im Frühjahre umgekehrt.“ Nunmehr füllt ſih die Winterherberge. Da, wo man während des Sommers vergeblih na< dem Rotkehlchen ausſah, lugt es jeßt aus jedem Buſche hervor. Alle Hochgebirge Süd- und Mittelſpaniens, jede Baumhe>e, jeder Garten beherbergen es. Jedes hat ſi<h auch hier ein beſtimmtes Gebiet erworben und weiß es zu behaupten; aber jedes iſt beſcheidener als in der Heimat: ein einziger Buſch genligt ihm, und die Geſamtheit bildet gewiſſermaßen nur eine einzige Familie. Zuerſt ſind die Wintergäſte ſtill und ſtumm, ſobald aber die Sonne ſi hebt, regt ſich auh ihre Lebensfreudigkeit wieder: ſie ſingen, ſie ne>en ſi, ſie kämpfen miteinander. Leiſe, mehr ein Gezwitſcher als ein Geſang, iſt das Lied, welhes man zuerſt von ihnen hört; aber jeder neue Tag erhöht ihre Freudigkeit, und lange bevor der Frühling einzog in ihrer Heimat, iſt er wah geworden in ihrem Herzen. Der Anfang des Singens iſt der Anfang zur Heimkehr.

Die Rotſ<hwänze oder Rötlinge (Ruticilla) kennzeihnen ſih dur<h ſchlanken Leib, pfriemenförmigen, an der Spige des Oberſchnabels mit einem kleinen Häkchen verſehenen, vor ihr jedo< nicht eingeferbten Schnabel, \<hlanke, hochläufige, ſhwächliche Füße, ziemlich lange Flügel, in denen die dritte Schwinge die längſte iſt, mittellangen, faſt gerade abgeſhnittenen Shwanz und lo>eres, je nah Geſchleht und Alter verſchiedenfarbiges Gefieder. Sie bewohnen die Alte Welt und ſind namentlich in Aſien zahlrei vertreten.

Unſer Hausrotſ<hwanz oder Hausrötling, welcher auh Stadt-, Skein- und Sommerrotſ<hwanz, Notſterz, Rotzagel, Rottele, Wiſtling, Hüting, S<hwarzbrüſten 2c. genannt wird (Erithacus titis, Ruticilla titis, titys, tithys, tites,