Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/2
668 Fünfte Ordnung: Rallenvögel; zweite Familie: Binſenhühner
Entſeven ergriffen zu werden und ſo die Faſſung zu verlieren, daß ſie vergißt, das Fliegen zu verſuchen. Sie könnte ſih gewöhnli< vor den ſie verfolgenden Menſchen retten; aber in der Ungewißheit, was ſie beginnen ſoll, geht ſie zu Grunde.“ Mit ihresgleichen verkehrt ſie wenig, ſcheint vielmehr zu den ungeſelligſten Vögeln zu gehören; denn ſie vereinigt ſi<h au< niht einmal auf dem Zuge mit anderen ihrer Art.
Gefangene Rallen gewöhnen ſi< bald an den Verluſt ihrer Freiheit und an den Käfig. Anfänglich ſuchen ſie ſih freilich beſtändig zu verſte>en; na< kurzer Zeit aber werden ſie zutrauli<h und zuleßt ſo zahm, daß ſie ihrem Pfleger Futter aus der Hand nehmen, ſich ſogar ſtreicheln laſſen. Ein Arzt in Saalfeld hatte eine Ralle ſo gezähmt, daß ſie ihm im Hauſe nachlief wie ein Hund, auf ſeine Gebärden achtete und im Winter mit ihm das Bett teilte, d. h. wirkli<h unter die Bettde>e kro<h, um hier ſi<h zu wärmen. Das muntere Weſen, die mannigfaltigen Stellungen und ſolche Zutraulichkeit gewinnen ihr jeden Liebhaber zum Freunde.
In der Freiheit nährt ſi die Ralle hauptſächlich von Kerbtieren, deren Larven, Würmern und Weichtieren, ſpäter auh von Samen, insbeſondere Gras- und Schilfſämereien. Wahr: ſcheinlih verſ<mäht ſie ein Vogelei ebenſowenig wie ihre nächſten Verwandten.
Das Neſt, ein loſes Gefleht aus tro>enen Schilfblättern, Binſen und Grashalmen von tief napfförmiger Geſtalt, ſteht im dihten Graſe oder Schilfe ſehr verborgen und wird ſelten entde>t, obgleih die Alten ſeinen Standort dur<h ihre Abendmuſik anzeigen. Gewöhnlich findet man es am Rande eines Waſſergrabens, bald unter Weidengeſträuth, bald auh in weniger dichten Schilfgräſern, ſehr ſelten in etwas kurzem Graſe. Das Gelege zählt 6—10, zuweilen no< mehr, ſchön geſtaltete, feſt- und glattſhalige, feinkörnige Eier, die etwa 35 wm lang, 25 mm di>, auf blaßgelbem oder grünlihem Grunde ziemlih ſpärlich mit violetten und aſ<hgrauen Unter- und rötlichen oder zimtbraunen Oberfle>en gezeihnet ſind. Die Jungen tragen ein ſ{<warzes Daunenkleid, verlaſſen ſofort nah dem Ausſchlüpfen das Neſt und laufen wie Mäuſe dur<h das Pflanzengeſtrüpp, {hwimmen im Notfalle auh re<ht gut. Fhre Mutter hält ſie dur< einen ſanften Lo>kton zuſammen, bis ſie erwachſen ſind.
Jn Südamerika, Weſt-, Oſt- und Südafrika leben kleine, ſonderbare Vögel, über deren Stellung die Forſcher noh heutigestags ſih niht geeinigt haben, deren innerer Leibesbau aber namentlih dur die Anlage des Knochengerüſtes die innigſte Verwandtſchaft mit den Rallen beweiſt. Sie, die Binſenhühner oder Saumfüße (Weliornithidae), eine nur fünf Arten zählende Familie bildend, ſind klein, ſ{<hlank gebaut und ſtarkleibig; der fopflange Schnabel iſt dünn und niedrig, hinten auf dem Oberfirſte abgerundet, ohne Stirnſchwiele; die Beine ſind ſehr kurz, bis zu den Ferſen befiedert, die Zehen länger als der Lauf und ſämtlih mit breit gelappten Hautfalten beſet, die zwiſchen den Vorderzehen zu einer kurzen Schwimmhaut ſih verbinden; nur die kleine Hinterzehe trägt keine Haut; im Flügel ſind die zweite und dritte Schwinge die längſten; der kräftige und ſtarke Schwanz wird aus 18 Federn gebildet, die ſih ſanft abrunden.
Beim Taucherhühnchen oder der Picapave der Braſilier (Heliornis fulica, fulicarius und surinamensis, Plotus und Podoa surinamensis) find Kopf und Oberhals ſchwarz, der Nücken, die Flügel und der Schwanz braun, ein Augenbrauenſtreifen, die Kehle und der Vorderhals weiß, Bruſt und Bauch gelblihweiß. Das Auge iſt braun, der Schnabel