Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

122 Siebente Ordnung: Suchvögel; dritte Familie: Möwen,

Geſtalt und Färbung der Raubmöwen (Stercorariinae) berehtigen uns, ſie als beſondere Unterfamilie aufzufaſſen. Die ſieben Arten, die man kennt, ähneln den Möwen. Jhr Leib iſt kräftig, der Kopf klein, der hinten mit einer Wachshaut bekleidete Schnabel verhältni8mäßig kurz, aber ſtark, di>, bloß vorn ſeitlih zuſammengedrückt, auf dem Oberfirſte ſtarkhakig überwölbt, an der unteren Kinnlade e>ig ausgebogen, der Fuß, deſſen verhältnismäßig kurze Zehen dur< volle Shwimmhäute verbunden und mit ſtark gekrümmten ſpißigen, ſcharfrandigen Nägeln bewehrt ſind, mittelho<h, der Flügel groß, lang, ſ{<hmal und ſpibig, unter den Handſchwingen die erſte die längſte, der aus zwölf Federn beſtehende Schwanz, deſſen beide Mittelfedern die anderen überragen, mittellang, das Gefieder rei und dicht, auf der Unterſeite pelzartig, ſeine vorherrſhende Färbung ein düſteres Braun, das bei den Alten ſelten, bei den Jungen öfter lichtere Stellen zeigt.

Die Raubmöwen leben vorzugsweiſe im nördlichen kalten Gürtel der Erde, meiſt auf offenem Meere, während der Fortpflanzungszeit aber in den Tundren der Küſten und Fnſeln. Sie gehen mit wagere<ht getragenem Leibe raſh und geſchi>t, einzelne Arten faſt ebenſo gewandt wie Sktelzvögel, ſ{<hwimmen gut, fliegen aber mehr, als ſie ſ{hwimmen, gehen oder ſtehen, und zwar in einer von allen übrigen Seefliegern verſchiedenen Weiſe, kühne, mannigfah abwechſelnde, oft wunderliche Schwenkungen ausführend, gleitend und rüttelnd. Fhre Stimme iſt ein unangenehmes Gekrächze, die der Jungen ein leiſes Piepen. An Sinnesſchärfe übertreffen ſie die Verwandten in ebendemſelben Grade, wie ſie ihnen an Mut und Kühnheit vorangehen. Wie echte Raubvögel greifen ſie alle Tiere an, die ſie bewältigen können, und wie die Schmaroger unter den Räubern peinigen ſie andere Vögel ſo lange, bis ſie ihnen die gewonnene Beute zuwerſen. Sie gehören niht zu den beſſeren Stoßtauchern und können nur dann Fiſche erbeuten, wenn lebtere dicht unter der Oberfläche des Waſſers dahinſhwimmen, rauben aber ebenſo gern wie andere Stoßtaucher, und keine8wegs bloß Fiſche, ſondern au<h Vögel, deren Eier und fleine Säugetiere, oder anderſeits wirbelloſe Meertiere, wagen ſi<h ſelbſt an junge Lämmer und ha>en ihnen die Augen und das Gehirn aus, verſchlingen alles für ſie Genießbare und gehen lebende wie tote Tiere an. Außerdem beobachten ſie die Möwen, Seeſchwalben, Tölpel und ähnliche Seevögel bei ihrer Fagd, eilen, wenn es dieſen gelang, Beute zu gewinnen, herbei und zwi>en und plagen den Glülichen ſo lange, bis er ihnen angſterfüllt die bereits verſ<hlungene Nahrung wieder vorwürgt und ausſpeit, worauf ſie mit unfehlbarer Sicherheit den Biſſen auffangen, bevor er fallend no< den Waſſerſpiegel erreicht hat. Dieſe unverſchämte Bettelei macht ſie äußerſt verhaßt, ihre rüſihtsloſe Raubſucht in hohem Grade gefürchtet. Kein Seevogel brütet in ihrer Nähe, keiner verweilt auf dem Binnenſee, auf welchem ſie ſih ausruhen; jeder bli>t ſcheu na ihnen hin, wenn ſie ihre Runde machen; die mutigeren greifen ſie an, wo ſie ſi< ſehen laſſen, und die fur<htſameren fliehen ängſtlih vor ihnen.

Zur Anlage ihres Neſtes ſcharren oder bilden ſie eine rundliche Vertiefung im Sande oder im Mooſe der Tundra, belegen das einfache Neſt mit 2—8 Eiern und brüten dieſe, Männchen und Weibchen abwechſelnd, mit wärmſter-Hingebung aus, verteidigen auch die Brut mutig gegen jeden nahenden Feind. Die Jungen werden anfängli<h mit halb verdauten Fleiſchbiſſen, ſpäter mit derberer Fleiſchtoſt geaßt, bleiben, ungeſtört, mehrere Tage im Neſte, verlaſſen dieſes ſpäter und laufen nun nah Art junger Strandvögel behende dahin, ſih bei Gefahr zwiſhen Steinen und Unebenheiten verbergend. Nachdem ſie flugfähig geworden, [<wärmen ſie no< eine Zeitlang auf dem Feſtlande umher, werden währenddem von ihren Eltern in ihrem Gewerbe unterrichtet und fliegen endlich mit dieſen auf das hohe Meex hinaus. Jm zweiten Sommer ihres Lebens ſind ſie fortpflanzungsfähig.

Die Nordländer ſuchen auch die Eier der Raubmöwen auf, um ſie zu verſpeiſen, wiſſen aber ſonſt keinen Nußen von dieſen Vögeln zu ziehen, ſondern betrachten ſie mit Recht als