Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

226 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Jm Weſten und Süden Afrikas wird der Wanderfalke dur den merklih kleineren und dunkleren Kleinwanderfalken (Falco minor), in Jndien dur<h den größeren und ſhwärzeren Schahin (Falco peregrinator) und in Auſtralien dur<h den Shwarzbad>enfalken (Falco melanogenys) vertreten; die Artſelbſtändigkeit aller drei Formen ſteht jedo<h no< in Frage. Fn Nordafrika und Nordweſtaſien erſeßt ihn der beträchtlich fleinere, an ſeinem roſtroten Na>kenfle>en und der ſpärlich geſperberten Unterſeite leicht fenntlihe Berberfalke (Falco barbarus, peregrinoides und punicus, Gennaja barbara und barbarus), über deſſen Artſelbſtändigkeit kein Zweifel herrſhen kann. Der ſchöne Vogel, hinſihtlih ſeiner Lebensweiſe ein getreues Abbild des Wanderfalken, bewohnt, wie es ſcheint, die ganze ſüdliche Küſte des Mittelländiſchen Meeres, verbreitet ſi<h von hier aus bis in das Fnnere Afrikas und ebenſo dur<h Perſien bis Fndien, verfliegt ſi<h aber niht allzuſelten na<h Spanien, woſelbſt ih ihn in mehreren Sammlungen geſehen habe, ebenſo wie er hier von engliſchen Forſchern eingeſammelt worden iſt.

Der Wanderfalke verdient ſeinen Namen; denn er ſtreift faſt in der ganzen Welt umher. Seine außerordentliche Verbreitung erklärt ſi<h, wenn man weiß, daß er niht bloß den gemäßigten, ſondern auh den nördlichen falten Gürtel bewohnt, in der Tundra rings um den Pol ſogar der vorherrſchende Falke iſt, aber ſelbſtverſtändlih allwinterlih gezwungen wird, dieſes Brutgebiet zu verlaſſen und nah Süden zu wandern. Gelegentlich ſeines Zuges nun berührt er alle nördlichen Länder Europas, Aſiens und Amerikas, durchfliegt unſeren heimatlichen Erdteil bis zum äußerſten Süden und tritt dann hier in den Wintermonaten ſtellenweiſe ſehr häufig auf, folgt den Zugvögeln auh über das Mittelländiſche Meer nach, und wandert deren Heerſtraßen entlang bis tief hinein nah Afrika, ebenſo wie er in Aſien bei dieſer Gelegenheit in Fapan, China und Jndien, in Amerika in den Vereinigten Staaten, Mittelamerika und Weſtindien angetroffen wird. Nach meinen und anderer Erfahrungen ſind es jedo<h hauptſächli<h Weibchen, die ihre Reiſen weit nah Süden hin ausdehnen, wogegen die Männchen mehr im Norden zurü>bleiben. Nicht wenige von beiden überwintern nun aber au< ſhon bei uns zu Lande, und da nun außerdem ihr Brutgebiet ſih über ganz Europa, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Südſpitze der JFberiſchen Halbinſel, und ebenſo über Mittelaſien und die nördlicheren Teile Amerikas erſtre>t, kann es niht wundernehmen, daß Wanderfalken beinahe auf der ganzen Erde gefunden werden. Die Anſicht, daß die oben genannten drei Vertreter nur ſtändige Unterarten unſeres bekannten Vogels ſind, erſcheint daher mindeſtens niht gänzlih ungere<htfertigt. Auch die in Deutſchland vorkommenden oder unſer Vaterland durchreiſenden Wanderfalken ändern in Größe und Färbung erheblih ab, und in jeder Sammlung, welche eine größere Anzahl von ihnen beſißt, findet man ſolche, welche den genannten Abarten ſehr nahe ſtehen, wenn nicht vollſtändig gleichen; dieſe Thatſache aber unterſtüßt die Anſchauung, daß alle unſerem Falken ähnlichen ſogenannten Arten mit ihm vereinigt werden müſſen. Jedenfalls beſißt der Wanderfalke die ausgeſprochenſte Fähigkeit, ſih unter den verſchiedenſten Umſtänden wohnlih und häuslih einzurichten. Fn Nordoſtafrika belebt er während des Winters alle Strandſeen und das ganze Stromgebiet des Nils bis Mittelnubien hinauf, findet auh überall geeignete Drte für ſeine Anſprüche hinſihtli<h genügender Nahrung und Sicherung. Nicht anders iſt es im Süden Aſiens. „Der Wanderfalke“, bemerkt Ferdon, „findet ſich durch ganz Fndien, vom Himalaja an bis zum Kap Komorin, aber nur während der kalten Zeit. Beſonders häufig iſ er längs der Seeküſten und an großen Flüſſen. Er brütet, ſoviel ih glaube, ebenſowenig in Jndien wie im Himalaja, ſondern iſt Wintergaſt, der in der erſten Woche des Oktober eintrifft und im April wieder weggeht.“ Fn Transktaſpien iſt er, wie Alfred Walter berichtet, Brutvogel. Auch in Amerika wandert er weit nah Süden