Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Wanderfalke. Rothalsfalke. 933

Hühnern den Kampf um das Daſein, und es blieben auh Schwächlinge, die ſonſt den Räubern am erſten zum Opfer zu fallen pflegen, übrig, gelangten zur Fortpflanzung und erzielten eine noh ſhwählichere, zu Krankheiten aller Art geneigte Nachkommenſchaft. Fn Erwägung dieſer Umſtände verfolgen einzelne Großgrundbeſißer Englands den Wanderfalken niht mehr und erhoffen von dieſer Maßregel, wenn auh niht Vermehrung, ſo doh Erzielung eines geſünderen Federwildſtandes. Jh laſſe wie billig das Für und Wider dieſer Anſhauung unerörtert; die Beachtung der Sachverſtändigen und Jäger ſcheint ſie mir jedoch zu verdienen. Anders freilich verhält es ſich in Anbetracht des Schadens, den der Wanderfalke unſeren Taubenliebhabern zufügt. Sie haben wohl unter allen Umſtänden recht, wenn ſie einen Vogel haſſen und verfolgen, dem gegenüber ſie ſo ohnmächtig ſind, daß ſie bereits, wie beiſpiel8weiſe in Berlin, die Hilfe der Sicherheitsbehörde gegen den freien Näuber der Lüfte angerufen haben.

Bei ſorgſamer Pflege hält ſich der Wanderfalke jahrelang im Käfige und nimmt hier mit allerlei friſchem Fleiſche vorlieb; verlangt aber viel Nahrung. „JG hatte einmal“, ſagt Naumann, „einen ſolchen Falken über ein Jahr lang in einem großen Käfige, und dieſer fraß in zwei Tagen einen ganzen Fuchs auf, desgleichen drei Krähen in einem Tage; er konnte aber auh über eine Woche lang hungern. Er pate oft fes lebendige Sperlinge, in jede Klaue drei, wobei er auf den Ferſen ſaß, dann einem nach dem anderen den Kopf einkneipte und beiſeite legte. Eine lebende alte Krähe machte ihm in ſeinem Gefängniſſe viel zu ſchaffen, desgleihen auch eine Gule. Wenn er mich mit einer lebenden Eule kommen ſah, machte er ſih ſtruppig und ſeßte ſih ſchlagfertig auf den oberſten Siß ſeines Behälters; die Eule legte ſich, ſobald ſie in den Käfig fam, auf den Rütten, ſtellte ihm ihre offenen Klauen entgegen und faute fürhterlih; der Falke kehrte ſih aber hieran nicht, ſondern ſtieß ſo lange von oben herab, bis es ihm glü>te, ſie beim Halſe zu pa>en und ihr die Gurgel zuzuhalten. Auf ſeiner Beute ſißend, breitete er jeßt freudig ſeine Flügel aus, rief aus vollem Halſe ſein „Kgia kgia fgia!’ und riß ihr mit dem Schnabel die Gurgel heraus. Mäuſe fraß er auch, aber bei Hamſtern und Maulwürfen verhungerte er.“ Fn den meiſten Tiergärten erhält der Wanderfalke der Hauptſache nach, wie die übrigen Raubvögel auch, nur Pferdefleiſh. Daß er bei derartiger Koſt ſelten lange au8hält, iſt erflärlih. Erfahrungsmäßig darf man ihn nur mit ſeinesgleihen und dann auch bloß paarweiſe zuſammenſperren; kleinere Raubvögel würgt er ab, und größere gefährden ihn; insbeſondere darf man niemals wagen, einen Habicht zu ihm zu ſeßen, weil dieſer thn meiſtert und ſicher früher oder ſpäter auffrißt.

Jn Mittelafrika und Jndien wird die Wanderfalkengruppe durch einen kleinen, überaus zierlihen Raubvogel vertreten, der ſeiner ungewöhnlichen Schönheit halber au in unſerem Werke erwähnt zu werden verdient. Dies iſt der Rothalsfalke oder Turumdi Der Fnder (Falco chiquera, ruficollis und ruficapillus, Hypotriorchis chiquera und ruficollis, Chiquera ruficollis), vielleiht der ſchönſte aller Edelfalken überhaupt. Kopf und Na>en ſind roſtrot, hier und da durch die dunkleren Schäfte der Federn fein geſtrihelt, Rüken, Oberflügel, Flügelde>federn und Oberarmſchwingen dagegen auf dunkel aſhgrauem, im Leben hellblau überflogenem Grunde mit breiten, ſtark hervortretenden, <hwarzen Querbinden, Unterbruſt, Bau und Schenkel auf licht rötlihgelbem Grunde dicht mit dunkel aſchgrauen Bändern gezeihnet. Ein ſhmaler Streifen über dem Auge iſt, wie der deutlich hervortretende Bart, ſhwarz, die Kehle weiß, der Kropf, einſchließlih der Oberbruſt, zumal an den Seiten, ebenſo wie der Flügelbug, hell roſtrot; der Shwanz hat dieſelbe Grundfärbung wie der Rücken und iſt 8—10mal dunkler gebändert, die breite Endbinde weiß geſäumt. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel am Grunde grünlichgelb, an der Spitze hornblau,