Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Merlin: Verbreitung. Lebensweiſe. Fortpflanzung. BAT

rüttelnde Flügelſhläge zum Stillſtand brachte, drehte um und war wenige Sekunden ſpäter meinem Geſichtskreiſe entſ<hwunden, während die geängſtigte, dur< mich gerettete Beute dicht neben mix wie eine Maus in aufgeſchichtetes Holz ſchlüpfte, um ſi vor dem furchtbaren Räuber zu ſichern. Das Kleingeflügel, das in der Tundra lebt, liefert dem Merlin die nötige Nahrung. Blaukehlchen und Sporenammer, Pieper, Zitron- und Schaftſtelzen, Meiſen und Laubſänger haben viel von ihm zu leiden, niht minder aber auh alle Strandläufer, überhaupt das kleine Strandgeſindel, und ebenſo die Droſſeln. Denn mit gleichem Mute wie der Baumfalke ſchlägt er Vögel, die ihm an Gewicht gleihkommen, vielleicht ihn ſelbſt noh überbieten. Gray verſichert geſehen zu haben, daß Merline, die das Junere der Stadt Glasgow beſuchten, ſi< vorzugsweiſe von den zahlreichen Tauben ernährten, und Lord Lilford mußte erfahren, daß ihm einer der kleinen Geſellen in Zeit einer Stunde niht weniger als fünf verwundete Waldſchnepfen davontrug. Auf den Faröer wird er, laut Müller, oft gefangen, indem er Stare bis in das Jnnere der Häuſer verfolgt. Wenn er einen Flug dieſer Vögel jagt, verſuchen die Stare ſtets, ſich über ihm zu halten, und fliegen ſo lange aufwärts, daß man ſie kaum noh erbliÆen kann. Hiermit retten ſie ſih nicht ſelten vor dem Smirill. Wenn aber ein einzelner Star ſi< vom Fluge trennt, fällt er dem Falken zur ſicheren Beute. Für ſeine Gewandtheit ſpricht die von Salvin und Brodrick beobachtete Thatſache, daß er ebenſo wie der Baumfalke auf Schwalben jagt und deren Schwenkungen mit der unvergleichlichſten Gewandtheit wiederholt. CEigne Beobachtungen laſſen mi glauben, daß er, im Gegenſaßze zu anderen Cdelfalken, vom Boden oder vom Waſſer mühelos Beute aufzunehmen vermag. Jh habe wenigſtens wiederholt geſehen, wie er ganz nah Sperberart ſo dicht einzelne Gebüſche umkreiſte, daß ſeine Shwingen faſt deren Laubwerk berührten, und traue ihm deshalb alle Fertigkeiten zu, die der Sperber erwieſenermaßen ausübt. Für meine Anſicht ſpricht die Mitteilung Colletts: daß im Sommer des Jahres 1872 der Merlin viel häufiger als früher auftrat, im Einklange mit der in dieſem Jahre ſtattgefundenen großartigen Wanderung der Lemminge. Echt ſperberartig iſt au< ſeine Gewohnheit, beim Aufbäumen ſtets die unteren Äſte zu wählen und hier möglihſt nahe am Stamme zu fußen.

Wie die meiſten anderen Edelfalken, horſtet auh der Merlin je nah des Ortes Gelegenheit in gebirgigen Gegenden des Nordens wohl regelmäßig auf oder in den Felſen, in waldigen auf Bäumen, in der Tundra oder in Mooren auf dem Boden. Auf im hohen Norden reiſende Forſcher geſtüßt, gibt Naumann an, daß der aus dürren Reiſern und Heidefraut ohne Kunſt zuſammengelegte flache Horſt meiſtens auf dem kleinen Vorſprunge einer jähen Fel8wand bald in großer Höhe, bald niedriger ſtehe, immer aber ſchwer zu erklimmen ſei. Collett beſtätigt dieſe Angabe, bemerkt aber, daß der Vogel ebenſo auf den ſüdlichen Fjelds gewöhnlih das verlaſſene Neſt einer Nebelkrähe zum Horſte erwähle und innerlih no< dur< ein wenig herbeigetragenes Moos vorrihte. Das Neſt, das Päßlerx fand, ſtand auf einer dicht belaubten Buche; der Beobachter ſagt jedoh niht, ob auch in dieſem Falle ein Krähenneſt verwendet wurde. Fn den Mooren des ſüdlichen Yorfjhire und des nördlichen Derbyſhire, woſelbſt der Merlin gegen Ende März oder Anfang April erſcheint und ſpäter unter den jungen Moorhühnern erheblihen Schaden anrihten ſoll, niſtet er regelmäßig auf dem Boden, wählt ſi zur Anlage des Horſtes irgend eine Vertiefung und kleidet ſie in liederlicher Weiſe mit einigen kleinen Zweigen und dürrem Graſe aus. Mitte oder Ende Mai findet man hier, im hohen Norden jedenfalls erſt ſpäter, die 1—6 entweder geſtre>ten oder rundlichen, auf weißlihem oder dunkel ziegelrotem Grunde mit ſehr feinen und gröberen, braunrötlichen oder ſhwärzlichen Fle>en, ausnahmsweiſe wohl auch auf ſhokoladenfarbigem Grunde mit dunkelbraunen Fle>en gezeichneten Eier, die denen des Turm- und Rotfußfalken oft täuſchend ähnlich ſind. Die Jungen entſhlüpfen